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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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herausschneiden, die Haut in Streifen abreißen lassen, bis der Schmerz die Wahrheit zutage gebracht hatte. Selbst die Verstocktesten hatten im Verlauf der »scharfen Fragestellung«, wie die Tortur von der Inquisition genannt wurde, ihre Schuld eingesehen und gestanden. Der Schmerz war heilsam für die Sünder.
    Früh hatte der Inquisitor erkannt, dass die Angst eines Delinquenten ein untrüglicher Beweis für seine Schuld war. Inzwischen waren seine Sinne so geschärft, dass er Angst förmlich riechen konnte. Wie ein Schweißhund, der Fährte aufgenommen hatte, erspürte er jedes Anzeichen von Furcht oder Panik und erbaute sich daran. Solcherart Witterung versetzte ihn geradezu in einen Rausch. Sein kaltes Herz wurde durchdrungen von einem erhabenen Glücksgefühl, und er wusste einmal mehr, dass er den Satan am Ende besiegen würde. Ihn – das abgrundtief Böse, den Teufel, der von der jämmerlichen Kreatur Besitz ergriffen hatte.
    Und bei diesem armseligen Jammerlappen von Totengräber stank die Angst förmlich zum Himmel. So sehr, dass sich der Herr Inquisitor angewidert ein Riechtüchlein an die Nase presste, als er am Nachmittag mit der ersten Vernehmung begann. Wohlweislich hatte er entschieden, die Befragung in der großen Folterkammer vorzunehmen, und den Züchtiger angewiesen, von Anfang an zugegen zu sein und sich im Hintergrund an den Gerätschaften zu schaffen zu machen. Denn bei gewissen Memmen und Hasenfüßen – und genau so schätzte er den Totengräber ein – genügten oft schon die furchterregende Gegenwart des Henkers und der fürwahr grauenvolle Anblick der Folterinstrumente, um sie weichzukochen.
    Doch in diesem Falle schien er sich ausnahmsweise getäuscht zu haben. Als er Heinrich Sahl vorwarf, Mechthild Stockarn auf den Friedhof gelockt zu haben, um sie dort dem Satan zu opfern und sich anschließend an dem Schmuck der Toten zu bereichern, entgegnete der Totengräber mit überraschend fester Stimme:
    »Ich würde lieber sterben, Herr, als solche schrecklichen Dinge zu tun! Ich habe die Jungfer Stockarin nicht auf den Friedhof gelockt und getötet. Und schon gar nicht habe ich sie dem Teufel geopfert. Ich bin ein gottesfürchtiger Mann und habe der Stadt Frankfurt stets gute Dienste geleistet. Mit meiner Frau Anna, Gott hab sie selig, und unseren sechs Kindern, von denen mir die Pest nur noch eines gelassen hat, habe ich fast dreißig Jahre lang ein unbescholtenes Leben geführt …«
    »Schweig Er still! Da haben wir aber ganz andere Sachen gehört«, unterbrach ihn der Inquisitor in eisigem Tonfall. Sahl, der bisher erstaunlich gefasst gewesen war, wirkte auf einmal verunsichert.
    »Na ja«, räumte er betreten ein, »seit dem Tod meiner lieben Frau leide ich häufig unter Schwermut und … und habe mich manches Mal auch dem Trunke ergeben. Aber das wird jetzt besser werden. Ich habe mir nämlich fest vorgenommen, künftig dem Branntwein abzuschwören, dann wird auch der Herr Pfarrer keinen Anlass zur Beschwerde mehr haben. Das könnt Ihr ihm gerne ausrichten …«, beteuerte Heinrich aufrichtig.
    »Das hätte Er sich früher überlegen sollen«, erwiderte Ottenschläger ungnädig und fuhr gleich darauf mit mildem Lächeln fort: »Gegen seine Melancholie aber weiß ich ein gutes Mittel. Hat Er schon einmal von der ›Flagellum Salutis‹ gehört? – Nein? Das habe ich mir fast gedacht. Diese ›Prügel des Heils‹ werden von hervorragenden Ärzten gerne als schnelle und leichte Kur bei Erkrankungen wie Melancholie, Lähmungen, Zahnschmerzen, Schlafwandeln und Taubheit empfohlen. Er wird sie schätzen lernen.«
    Heinrich Sahl schwante Böses. »Nein«, stammelte er verzweifelt. »Bitte nicht schlagen!«
    Doch sein klägliches Flehen um Gnade schien an dem Dominikaner abzuprallen wie an einer Felswand.
    »Meister Hans, zehn Stockschläge auf den blanken Rücken«, flötete Ottenschläger in Richtung Scharfrichter. »Aber dresche Er ruhig ordentlich drauf!«
    »Nein!«, schrie der Totengräber gellend. »Bitte, bitte verschont mich, ich habe doch nichts Böses getan!«
    Auch den städtischen Henker, dem die Frankfurter Stadtbürger ob seines würdevollen, fast schon aristokratischen Habitus den Spitznamen »Fürst vom Rabenstein« gegeben hatten, konnten Sahls Bitten nicht erweichen. Mit unbeweglicher Miene bedeutete er dem Delinquenten, sich mit dem Gesicht an die Wand zu stellen, wo er ihm mit einem festen Ruck das Hemd herunterzog. Dann ergriff er einen dicken Holzprügel und

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