Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
begann, vehement auf Heinrich Sahls knochigen Rücken einzudreschen. Bereits nach dem dritten Schlag des drahtigen Züchtigers sank der Totengräber laut schreiend zu Boden, wo ihn Meister Hans ungerührt weitermalträtierte. Nach der peinvollen Prozedur war Sahls Rücken blutig, die Haut hing in Fetzen herunter. Der Totengräber wimmerte vor Schmerzen, er stand kurz vor einer Ohnmacht. Kurzerhand goss ihm Meister Hans einen Bottich mit Wasser über den Kopf, damit seine Lebensgeister wieder zurückkehrten, denn die »Vernehmung« war noch lange nicht zu Ende.
    Hubertus Ottenschläger, der, hinter seinem Schreibpult sitzend, jeden Handstreich des Züchtigers mit ausdruckslosen Reptilienaugen verfolgt und akribisch protokolliert hatte, ordnete an, den Angeklagten nun der »leichten Befragung« zu unterziehen. Denn die Handbücher der Kurie geboten den Inquisitoren in christlicher Barmherzigkeit, die selbst die schlimmsten Sünder und Verbrecher mit einbezog, die Angeklagten zunächst »leicht und ohne Blutvergießen« zu befragen. Und Ottenschläger hielt sich bei aller Härte, die ihm seine Profession abverlangte, als ergebener Kirchenmann stets mit großer Gewissenhaftigkeit an die Vorschriften.
    Im Laufe seines Amtes hatte er ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, welche Art der peinlichen Befragung sich für den jeweiligen Delinquenten eignete, und bei Heinrich Sahl musste er nicht lange nachdenken. Kurzerhand entschied er sich für die Anwendung der Wasserfolter.
    Nachdem Meister Hans einen seiner Schergen damit beauftragt hatte, zwei Holzbottiche mit Mainwasser herbeizuholen, befahl er dem am ganzen Leibe schlotternden Totengräber, sich auf die Folterbank zu legen, wo er die Hand- und Fußgelenke mit breiten Ledermanschetten fixierte.
    In Heinrich Sahls weit aufgerissenen geröteten Augen spiegelte sich die blanke Angst, als der Inquisitor erneut das Wort an ihn richtete.
    »Weil Er vorhin schon sein Maul so weit aufgerissen hat, um seine Unschuld zu beteuern, darf er das jetzt noch einmal machen. Und weil Er zudem so ein Saufaus ist, der den Hals nicht vollkriegen kann, werden wir nun das Unsrige dazu beitragen, ihm selbigen gehörig zu stopfen! – Auf, Angstmann, steck Er ihm den Trichter in den Rachen, und dann rein mit der Brühe.«
    Ottenschläger konnte sich eines feinen Lächelns nicht ganz enthalten, als Sahl beim Anblick des riesigen Holztrichters, auf dem wie auf allen Folterinstrumenten die fromme Inschrift »Ehre sei Gott allein« angebracht war, einen gellenden Entsetzensschrei von sich gab. Er schien vor Angst wie von Sinnen zu sein und wimmerte immer wieder: »Lieber Herrgott, steh mir bei!«
    Nachdem der Züchtiger den ersten Bottich mit Wasser in den Trichter geschüttet hatte – immer wieder unterbrochen, weil der Gemarterte sich heftig und krampfartig erbrach – befahl der Inquisitor, es fürs Erste bewenden zu lassen, und setzte die Befragung fort.
    »Nun denn, gibt Er jetzt endlich zu, die Jungfer Stockarin verhext und auf den Friedhof gelockt zu haben, um anschließend seine abscheulichen Praktiken an ihr zu vollziehen?«
    Sahl, der noch immer keuchte und verzweifelt nach Luft rang, gab anstelle einer Antwort nur ein gequältes Wimmern von sich, und Ottenschläger wies den Henker an, den kugelartig aufgetriebenen Bauch des Totengräbers mit dem Stock zu bearbeiten. Erst als Sahl die Pein kaum noch zu ertragen vermochte und winselnd um Gnade flehte, bedeutete der Inquisitor dem Angstmann mit einer entschiedenen Handbewegung innezuhalten und herrschte Sahl in vernichtendem Tonfall erneut an, doch endlich zu gestehen.
    *
    Katharina konnte in jener Nacht einfach keinen Schlaf finden, die Sorge um den Vater brachte sie fast um den Verstand. Schließlich beschloss sie, aufzustehen und noch einen kleinen Rundgang zu machen.
    Obgleich es rabenschwarze Nacht war und dichte Nebelschwaden in den Gassen hingen, hoffte sie, in der kühlen Nachtluft wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ziellos streifte sie durch die Gassen, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Doch als sie sich unversehens wieder vor der Galgenwarte fand, musste sie feststellen, dass sich ihre Gedanken ebenso im Kreis gedreht hatten.
    Niedergeschlagen tastete sie in den Taschen ihres Umhangs nach dem Schlüssel. Da vernahm sie auf einmal Schritte hinter sich und wandte sich erschrocken um. Im Fackelschein der Galgenpforte gewahrte sie zu ihrer Verblüffung den jungen Maler Florian Hillgärtner, der freudig auf sie

Weitere Kostenlose Bücher