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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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draußen werden wir nicht ungestört reden können. Es wird schon dunkel, und kalt ist es auch. Ich weiß ja nicht, ob ich Euch das anbieten darf, aber ich wohne hier ganz in der Nähe, in dem Wachturm links neben der Galgenpforte.« Sie errötete ein wenig bei diesen Worten.
    »Eine hervorragende Idee! Und wenn es bei Euch auch noch einen warmen Ofen gibt, werdet Ihr mich so schnell nicht mehr los«, entgegnete Anna, der die Unsicherheit der Totengräbertochter nicht verborgen geblieben war, munter und schlug gemeinsam mit ihr den Weg in die Galgengasse ein. Wenig später hatten sie den Wohnturm an der westlichen Stadtmauer erreicht.
    Mit einem großen Bartschlüssel schloss die junge Frau eine schwere Eichentür auf, die sich knarrend öffnete. Feuchter Modergeruch schlug Anna entgegen. In einer Wandhalterung im Eingangsbereich befand sich eine flackernde Pechfackel, die die unteren Stufen einer schmalen Wendeltreppe beleuchtete.
    »Ich gehe voran«, sagte die Totengräbertochter und mahnte: »Haltet Euch dicht hinter mir, und seid vorsichtig, die Stufen sind steil und teilweise auch abgetreten.«
    Als Anna hinter ihr die runde Turmkammer betrat, war sie ziemlich außer Atem. Die Totengräbertochter entzündete mit Hilfe einer Fackel, die sie aus der Wandhalterung genommen hatte, mehrere Talglichter, die die Stube in ein anheimelndes Licht tauchten, und bot Anna den Platz auf der Bank am großen Kachelofen an, der eine angenehme Wärme ausstrahlte. Anschließend ergriff sie einen irdenen Krug, der oben auf dem Ofen stand, und schenkte gesüßten Würzwein in zwei Becher. Nachdem sie Anna einen davon gereicht hatte, ließ sie sich auf einem Holzschemel nieder, der unweit des Kachelofens an einem alten, wurmstichigen Tisch stand. Dann nippte sie an ihrem Würzwein und fing zögernd und noch immer leicht befangen an zu sprechen:
    »Jungfer Stockarin, mein Name ist Katharina Bacher. Ich bin die hiesige Totenwäscherin, die Ehefrau des Nachtwächters Ruprecht Bacher und, wie Ihr bereits wisst, die Tochter des verurteilten Totengräbers Heinrich Sahl. Ich möchte Euch noch einmal mit allem Nachdruck versichern, dass mein Vater unschuldig ist. Er hat Eure Schwester Mechthild nicht getötet, auch wenn er es gestanden hat. Man hat ihn unter der Folter gezwungen, all die schrecklichen Dinge zu erzählen …« Die Totengräbertochter konnte nicht mehr weiterreden, barg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte heftig. Anna empfand Mitleid mit der Unglücklichen und strich ihr tröstend übers Haar.
    Nach geraumer Zeit fasste sich die junge Frau wieder und fuhr mit leiser Stimme fort: »In sieben Tagen soll er hingerichtet werden, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.«
    »Ich verstehe ja Eure Verzweiflung, Bacherin, aber habt Ihr nicht vorhin bei meinen Eltern etwas von Leuten in schwarzen Kutten gesagt, die angeblich den Mord an meiner Schwester begangen hätten? Was hat es damit auf sich? Könnt Ihr mir das einmal genauer darlegen?«, erkundigte sich Anna angespannt.
    »Ja, natürlich«, entgegnete die Totenwäscherin und erzählte Anna ausführlich, was sich in der Nacht von Allerheiligen auf dem Friedhof zugetragen und was ihr Vater ihr berichtet hatte.
    Anna hörte ihr mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu und sinnierte düster: »Was für ein seltsames Ritual mögen diese Vermummten nur veranstaltet haben?«
    »Ein teuflisches!«, erwiderte die Totenmagd im Brustton der Überzeugung. »Das, was der Vater gesehen hat, muss so schauerlich gewesen sein, dass er schnell wieder in seine Behausung geflüchtet ist, wo er Türen und Fenster verriegelt hat. Solche Angst hat er vor den Reigentänzern gehabt! Und am Morgen hat er dann Eure tote Schwester im Beinhaus gefunden, die auch so eine schwarze Kutte anhatte wie die Kapuzenmänner. Wie ich weiß, hatte sie einen Schnitt am Hals und war vollkommen ausgeblutet. Der Vater war ganz verstört, als er mir davon erzählt hat. Er hat geglaubt, das waren Totengeister, die er da auf dem Friedhof gesehen hat. Ich habe ihm gesagt, dass das Unsinn ist, dass es Menschen aus Fleisch und Blut gewesen sein müssen. Böse Menschen. Ich spüre es tief da drinnen.« Die Totengräbertochter presste sich die Hand auf den Bauch.
    »Diese Teufelsanbeter haben Eure Schwester auf dem Gewissen, da bin ich mir ganz sicher. Auch wenn der Pfarrer und der Inquisitor davon nichts hören wollen. Der Inquisitor hat schnell einen Schuldigen gebraucht, und den hat er im Vater gefunden. Erst recht,

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