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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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die Henkersschergen an sich nahmen. Dann sammelten sich die Zunfthandwerker hinter ihren Meistern und marschierten geschlossen zur Stadt zurück.
    Die Henkersbüttel indessen waren vom Senat angewiesen worden, das vollständige Schafott und das Richtrad mit Schweineblut zu streichen, um der abgrundtiefen Verachtung über das frevelhafte Verbrechen Rechnung zu tragen, was die Fronknechte in Anbetracht des Dauerregens für vollkommen unsinnig erachteten und bis in die Nacht hinein mit rauen Flüchen begleiteten.
    *
    Katharina wurde am Vormittag unsanft von einer Siechenmagd geweckt, die ihr immer wieder mit der flachen Hand auf die Wangen schlug. Von den klatschenden Schlägen erwachte sie schließlich, auch wenn es ihr sehr schwerfiel, sich aus dem wohligen Schlummer zu lösen. Aus müden Augenschlitzen nahm sie sehr verschwommen die groben Gesichtszüge der Krankenmagd wahr, die ungnädig auf sie herabschaute, und hörte im Hintergrund männliche Stimmen poltern:
    »Katharina Bacherin, Tochter des Totengräbers Heinrich Sahl, erhebe Sie sich auf der Stelle und folge Sie uns! Wir sind vom Magistrat angewiesen worden, Sie zur Hinrichtung ihres Vaters zu begleiten, die in Bälde stattfinden wird. Also auf, spute Sie sich gefälligst!«
    Dann vernahm Katharina die beschwichtigende Stimme ihres Mannes: »Ich helfe ihr, sich anzukleiden, und dann folgen wir euch. Unterwegs stütze ich sie, dann wird es schon gehen.« Die Stangenknechte erklärten sich schließlich einverstanden.
    Als Katharina wenig später, flankiert von zwei stämmigen Stangenknechten, an Ruprechts Arm das Hospital zum Heiligen Geist verließ, kam sie sich vor wie eine Scheintote, der es nicht gelang, vollends in die Realität zurückzukehren. Jede Bewegung fiel ihr schwer, sie fühlte sich wie gerädert, und ihr Kopf schmerzte höllisch, während das pulsierende Blut laut in ihren Ohren rauschte. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, wie sie vor unbestimmter Zeit in Doktor Stefenellis Armen in diesen unsagbar tiefen, wohltuenden Schlaf gefallen war. Und dann gab es noch diese anheimelnde, samtene Schwärze, in der sie sich unendlich geborgen fühlte und die sie mit tiefster, ungeahnter Glückseligkeit erfüllte. Nichts von alledem, was sich in den vergangenen Tagen um sie herum ereignet hatte, war zu ihr durchgedrungen.
    Wie eine Schlafwandlerin nahm Katharina die riesige Menschenmenge wahr, die sich auf dem Galgenfeld versammelt hatte. Die Gesichter des Pöbels erschienen ihr wie hässliche Fratzen und Grimassen aus einer fernen, fremden Welt, die für sie keinerlei Bedeutung hatte. Die wüsten Schmähungen und Verunglimpfungen, die von allen Seiten gegen sie ausgestoßen wurden, prallten an ihr ab wie Kieselsteine an einer Felswand.
    Besorgt blickte Ruprecht Bacher in das Gesicht seiner Frau und legte schützend seinen Arm um sie, doch auf ihren Zügen spiegelte sich nur Teilnahmslosigkeit. Ihm selbst indessen schlotterten angesichts dieser Feindseligkeit die Knie, denn es gab kaum noch ein Durchkommen in dem dichten Gedränge. Zu seiner Erleichterung gewahrte er in dem Menschenpulk eine Vielzahl geharnischter Stangenknechte, die die Stadt zur Sicherung der Ordnung ins Galgenviertel entsandt hatte. Auf einen Wink des Stadtbüttels hin drängten sie die Meute ein Stück weit zur Seite, so dass sie endlich passieren konnten.
    Aus den Augenwinkeln nahm Ruprecht wahr, dass in dem Gewimmel sämtliche Stände vertreten waren: Einfache Bauern aus dem Umland, Tagelöhner, Bettler und eine Vielzahl von Hübscherinnen bis hin zum Stadtpatriziat und dem ortsansässigen Adel. Wie bei einem Volksfest waren Verkaufsstände jeglicher Art aufgebaut, es roch nach Gesottenem und Gebratenem, nach gebrannten Mandeln und Maronen, nach heißem Würzwein mit Zimt und Honig und nach Branntwein und Bier. Wie Ruprecht sehen konnte, wurde allgemein dem Trunke schon gut zugesprochen. Wer es sich leisten konnte, trank gewürzten Wein, ärmere Leute hingegen hielten sich an Bier und Branntwein. Zuweilen war aus dem Getümmel das Gegröle von Betrunkenen zu vernehmen, durchsetzt von Sackpfeifen, Trommeln und dem lauten Anpreisen der Marktschreier.
    Herzloses Pack, dachte Ruprecht angewidert. Dem Heini geht’s ans Leder, und für die ist das nix anderes als eine Riesengaudi. Mit schlechtem Gewissen musste er zugeben, dass es ihn selber nach einem ordentlichen Schnaps gelüstete. Die Wirkung des Branntweins, den er heute Morgen zu sich genommen hatte, um die Hinrichtung seines

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