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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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würden wir uns notfalls mit Gewalt Zutritt verschaffen, und dann würden die Brüder des Todes alle wichtigen Stellen besetzen und die Stadtregentschaft an sich reißen.
    Als wir einen Tagesmarsch von Worms entfernt am Rhein unser Nachtlager errichteten, versammelte der Meister mich, den alten Jäger und einen kleinen Kreis vertrauter Anhänger um sich und beriet sich mit uns.
    Warnend sagte ich: »Ich habe kein gutes Gefühl. Auch wenn wir keinen ›Himmelsbrief‹ verlesen, sondern uns auf eine wesentlich ältere, ungleich erhabenere Offenbarung stützen, so stellen wir doch in den Augen von Kirche und Obrigkeit den alten Glauben grundsätzlich in Frage. Mir ist ein Fall aus Thüringen bekannt, wo man den Anführer einer Geißlergruppe, der öffentlich die Bluttaufe anstelle der Wassertaufe forderte, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Ihr solltet Euch vorsehen, Meister, dass Euch nicht das Gleiche widerfährt«, gab ich mit ernster Miene zu bedenken.
    »Und da braut sich mit Sicherheit schon was zusammen«, stimmte mir der alte Jäger zu. »Seit wir in Mainz diesem Kuttenträger den Garaus bereitet haben, haben uns die Papisten auf dem Kieker.«
    »So kenne ich dich gar nicht, mein Alter. Du gehst doch sonst keinem Kampf aus dem Wege«, wandte sich der Meister mit leichtem Spott an ihn. »Nun denn, ich für meinen Teil habe jedenfalls nicht vor, vor diesen Papistenknechten den Schwanz einzuziehen. Wir sind mehr als fünfhundert Leute, und wenn man die mit ausreichenden Wurfgeschossen bestückt, könnte man denjenigen, die gegen uns zu Felde ziehen, schon einen netten Empfang bereiten.« Der Meister blickte sich trotzig in der Runde um. »Gibt es denn keinen hier, der meiner Ansicht ist?«, fragte er ungehalten.
    »Doch, Meister, mit mir könnt Ihr rechnen!«, erwiderte der Frankfurter Henker mit fester Stimme. »Was auch immer Ihr plant, ich bin dabei. Und glaubt mir, ich verstehe mich aufs Töten!«
    »Auch ich bin für den Kampf, Meister«, äußerte ein stattlicher junger Mann, der in Frankfurt als Pestknecht gearbeitet hatte, leidenschaftlich. »Ich bin bereit, für Euch und für die Brüder des Todes mein Leben zu geben!« Erfreut klopfte ihm unser Anführer auf die Schulter.
    »Herr, Ihr tut mir unrecht«, meldete sich der alte Jäger erneut zu Wort. »Es ist nicht so, dass ich das Kämpfen verlernt habe. Ich würde jederzeit mein Letztes für Euch geben, das wisst Ihr. Aber ich sorge mich um Euer Leben, das ungleich wertvoller ist als das meine.«
    Auch ich mischte mich wieder in die Debatte, die immer erregter wurde. Während wir uns noch lautstark die Köpfe heißredeten, wurden wir jäh unterbrochen durch die Ankunft eines Reiters, der, mit einem Seil am Sattel seines Reitpferdes befestigt, ein zweites Pferd mit sich führte. Er begehrte eindringlich, den Anführer zu sprechen. Während wir uns schon drohend erhoben, gab sich der Meister zu erkennen und fragte den Fremden nach seinem Begehr. Der Mann war ein Bote jenes Arztes und Senatsangehörigen, bei dem unser Anführer während seines Aufenthaltes in Mainz logiert hatte.
    »Mein Herr schickt mich, weil Euer Leben in Gefahr ist. Ich soll Euch dieses Schreiben hier aushändigen, in dem alles ausführlich erläutert ist, und Euch sodann zu einem geheimen Ort bringen, an dem Ihr sicher seid«, erklärte der Herold und überreichte dem Meister ein versiegeltes Schriftstück. Dieser erbrach das Siegel und begann mit angespannter Miene zu lesen. Nach einer Weile ließ er den Brief sinken und murmelte mit belegter Stimme, dass man in Worms ein Komplott gegen ihn plane. Nach kurzer Beratung mit uns, seinen Getreuen, die ihm einstimmig dazu rieten, dem Anerbieten des Mainzer Verbündeten Folge zu leisten, verabschiedete sich der Geißlerführer vom engsten Kreise seiner Anhänger, indem er jeden Einzelnen von uns fast zärtlich mit seiner Geißel berührte.
    Alle, selbst ich, waren fassungslos vor Schmerz, so plötzlich von dem geliebten Meister Abschied nehmen zu müssen, und wir weinten hemmungslos. Während der Auserwählte, der selbst sehr bewegt schien, das samtene Banner der Brüder des Todes küsste und es mir zur Aufbewahrung übergab, sprach er uns Mut zu und tröstete uns mit dem Versprechen, weiterhin mit uns in Verbindung zu bleiben. Wir sollten schweigen und uns keinem Unberufenen anvertrauen, in unseren Herzen aber Brüder des Todes bleiben. Dereinst würden wir uns wiedersehen, dann werde er uns mit einer geheimen Offenbarung

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