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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Wangen. »Am Dienstag soll doch mein Vater hingerichtet werden. Er ist unschuldig und hat die Stockarin nicht ermordet. Ich muss alles tun, um die Obrigkeit von seiner Unschuld zu überzeugen.«
    »Das mit Eurem Vater ist eine schlimme Sache, aber Kopfverletzungen darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen«, beschied sie der Medicus streng. »Ihr dürft das Bett noch nicht verlassen.«
    »Aber ich kann hier nicht bleiben«, entgegnete Katharina mit erregter Stimme und versuchte erneut, sich vom Krankenlager zu erheben. »Mein Vater ist unschuldig. Dieser vermaledeite Pater Kilian und die Schwarzkutten vom Friedhof haben die Jungfer auf dem Gewissen! Bitte, Herr Doktor, was wisst Ihr über den Krankentröster der Stockarin? Er ist spurlos verschwunden! Wisst Ihr vielleicht, wo er ist? Ihr habt ihn doch empfohlen …«
    Doktor Stefenelli ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit sanftem, aber entschiedenem Händedruck schob er seine renitente Patientin zurück auf ihr Lager und sagte beschwichtigend: »Bevor wir weiterreden, lasse ich Euch von der Siechenmagd einen heißen Kamillensud bringen, den Ihr in kleinen Schlucken trinkt. Das wird Euch guttun.«
    Eingeschüchtert nickte Katharina, und als er wenig später seinen kraftvollen Arm um sie legte, um ihr behutsam den dampfenden Pflanzensud einzugeben, in den er zuvor einige Tropfen eines Heilmittels geträufelt hatte, spürte sie ein derart wohliges Entzücken, dass ihr erneut die Sinne zu schwinden drohten. Unwillkürlich entrang sich ihr ein Seufzer.
    »Seht Ihr, wie schwach Ihr noch seid?«, bemerkte der Arzt. »Eigentlich solltet Ihr noch gar nicht so viel sprechen, sondern besser schlafen. Aber ich verspreche Euch, demnächst im Kreise meiner Patienten Erkundigungen über Kilian von Hattstein einzuziehen. Und nun schlaft wohl, dann geht es Euch morgen gewiss schon besser.«
    Doktor Stefenelli breitete fürsorglich die Decke über Katharina, strich der Einschlummernden über die Wange, löschte die Talgkerze neben ihrem Bett und entfernte sich mit zufriedener Miene aus dem Krankensaal.
    *
    Als Ruprecht Bacher am Sonntagnachmittag im Heiliggeistspital vorstellig wurde, um nach seiner Frau zu sehen, schlief Katharina immer noch tief und fest. Er mochte sie nicht aufwecken, küsste zärtlich ihre Hand und übergab der Siechenmagd das mitgebrachte Gebäck und die eigens für die Kranke zubereitete Hühnerbrühe. Diese bemerkte die kummervolle Miene des Nachtwächters und sagte wohlwollend, er brauche sich nicht zu bekümmern, seine Frau schlafe sich gesund und sei bei Doktor Stefenelli in den besten Händen.
    Das Gleiche sagte sie ihm auch am Montag, als Katharina immer noch schlief. Bacher gewahrte Katharinas rosige Wangen und ihren friedvollen Gesichtsausdruck und dachte bei sich, dass es wohl das Beste wäre, wenn sie auch am morgigen Tag noch schliefe und ihr dadurch die Hinrichtung ihres Vaters erspart bliebe.
    Anna Stockarn indessen, die zu Hause in ihrer Studierstube gleichsam auf heißen Kohlen saß und immer noch gespannt auf die längst überfällige Nachricht von Katharina wartete, konnte sich schon seit geraumer Zeit nicht einmal auf ihre Lieblingslektüre konzentrieren. Kurzerhand schickte sie den alten Hausknecht erneut zur Galgenpforte, um den Stand der Dinge zu erfragen. Doch auch dieses Mal kehrte Jockel ohne Neuigkeiten zurück, er hatte niemanden angetroffen.
     
    Aus den Aufzeichnungen
eines jungen Mönchs
    Angestachelt von dem unglückseligen Ereignis in Mainz, begannen sich Obrigkeit und Kirche gegen die »Brüder des Todes« und ihren Anführer zu stellen. Zunächst wurde angeordnet, die Stadttore zu schließen, wenn wir im Anmarsch waren. Doch in den Amtsstuben von Senat und Kurie wurden bereits härtere Repressalien gegen uns ersonnen. Um dem Spuk ein Ende zu bereiten, sollte die öffentliche Selbstgeißelung zukünftig mit der Todesstrafe geahndet werden. Auf höchster Ebene wurde geplant, den Meister als einen Verbreiter von Irrlehren gefangen zu nehmen und ihn in einem spektakulären Prozess zum Tod am Galgen zu verurteilen.
    Bei aller Selbstsicherheit war es dem Meister nicht verborgen geblieben, dass er und seine Bewegung den Herrschenden ein Dorn im Auge geworden waren. Die verschlossenen Pforten der Rheinstädte Nierstein und Oppenheim sprachen eine deutliche Sprache. Dennoch war er fern davon, sich dadurch irremachen zu lassen, er wusste, so viele Menschen konnte man nicht einfach aussperren. In der Pfaffenhochburg Worms

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