Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
nicht mehr gesehen!«
Sciutto bemühte sich weiter um ein Lächeln.
»Wir haben uns noch nie gesehen. Aber ich vermute, Sie sind Robertos Mutter.«
Donatella holte wiederum Luft, was Robert zum Anlass nahm, ihr das kommende Wort abzuschneiden.
»Komm, Mamma, es wird Zeit. Ciao, Antonio. Ich freue mich auf Freitag.«
Mit sanftem Druck manövrierte er sie von Sciutto weg.
Sciutto hob die Hand.
»Ciao, Signora. Ciao, Roberto!«
Donatella drehte sich im Gehen noch einmal um.
»Seltsam, ich hätte schwören können, er ist es!«
*
Sie waren schon eine Weile gefahren, schwiegen aber hartnäckig. Robert fand als Erster die Worte wieder.
»Bei allem Respekt, Mamma, das war eine ziemlich peinliche Situation. Wer ist denn dieser Lucio Testa?«
Donatella machte ein beleidigtes Gesicht.
»Ein bekannter Psychiater. Er war vor einigen Jahren in einen Mordfall verwickelt, man konnte ihm aber nichts nachweisen. Dann ist er irgendwie untergetaucht. Jetzt ist er wieder da. Allerdings hatte er früher nicht so einen unvorteilhaften Bart!«
Robert schüttelte den Kopf.
»Aber Mamma! Du kannst dich doch auch einmal irren. Das ist eine Verwechslung, der Mann eben hieß Dottore Antonio Sciutto!«
Donatella zog die Mundwinkel nach unten.
»Ich irre mich nie!«
*
Es war schon dunkel, als Robert nach Mezzomonte zurückkehrte. Wolken verdeckten den Mond, und ein kühler Wind strich ums Haus. Er hatte Catarina gesagt, dass sie kein Abendessen zubereiten sollte, weil er annahm, dass es bei der Ausstellungseröffnung etwas zu essen gäbe. Das war auch der Fall gewesen, aber da er sich so lange und intensiv mit Sciutto unterhalten hatte, waren die herumgereichten Tabletts relativ leer, als sich bei ihm ein Hungergefühl bemerkbar machte. Er holte einen Teller, ging zum Kühlschrank, schnitt sich ein großes Stück Salami ab, etwas Schinken, etwas Käse und nahm ein paar Weintrauben. Dazu goss er sich ein Glas Rotwein ein und setzte sich an den Küchentisch.
Er wollte gerade mit seinem bescheidenen Nachtmahl beginnen, als er ein surrendes Geräusch bemerkte. Er horchte. Das Geräusch kam aus Richtung seines Ateliers. Er stand auf und ging durch die Eingangshalle in den Flur.
Das Handy! Es lag auf dem Schreibtisch und surrte in regelmäßigen Zeitabständen. Er hatte wieder einmal vergessen, es einzustecken. Jemand musste eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen haben.
Er tippte die nötige Zahlenkombination ein und horchte.
Die Stimme klang aufgeregt.
»Robert, hier ist Elena. Ich muss dir dringend etwas sagen. Aber nicht auf die Mailbox. Bitte melde dich, wenn du wieder da bist.«
Er schaute auf das Display. Die Nachricht war vier Stunden alt. Jetzt war es kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Er überlegte einen Augenblick, dann tippte er Elenas Handynummer ein.
Nach dem zweiten Rufzeichen meldete sie sich.
»Hallo Elena, hier ist Robert.«
Ein paar Sekunden war es still. Dann hörte er wieder ihre Stimme.
»Ah, Riccarda! Das ist ja toll, dass du anrufst. Ich habe ja seit einer Ewigkeit nichts von dir gehört.«
Robert schaltete sofort.
»Elena, ich verstehe, du kannst nicht sprechen.«
»Was? Du bist in Florenz? Dann müssen wir uns morgen unbedingt treffen! Sag mir, wo!«
»Komm am besten morgen zu mir.«
»Wie? Nein, das geht leider nicht. Das Lokal existiert nicht mehr.«
»Ich verstehe. Ist es zu gefährlich?«
»Ja, sehr sogar.«
»Okay, dann treffen wir uns morgen um elf in Carlos Werkstatt in Vicchio. Da sind wir sicher.«
»Eine gute Idee, dann bis morgen, Riccarda!«
Er ging zurück in die Küche und setzte sich wieder an den Tisch. Das klingt nicht gut , dachte Robert, als er Carlos Nummer wählte.
*
Sie saßen auf zwei Böcken an der Hobelbank in Carlos Tischlerwerkstatt. Es roch wie immer angenehm nach frisch gehobeltem Holz, Leim und Harz. Robert schaute auf seine Armbanduhr.
»Seltsam, bis jetzt war sie immer vor mir da.«
Wie auf ein Stichwort klopfte es an der Tür.
Carlo stand auf und öffnete.
»Komm herein, wir warten schon!«
Elena sah blass aus. Sie nickte Robert nur zu und setzte sich auf den dritten Bock, den Carlo bereitgestellt hatte.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Carlo.
Elena nickte.
»Ein Wasser, wenn du hast.«
Carlo ging zu einem alten Kühlschrank, goss ein Glas Mineralwasser aus einer Plastikflasche ein und reichte es Elena. Sie nahm einen großen Schluck.
»Ihr werdet euch sicher wundern, warum ich so einen Aufwand betrieben habe, aber ich glaube, ich bin in
Weitere Kostenlose Bücher