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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Barbie dir geschrieben hat«, drängelte der Rotschopf.
    »Schon mal was von Briefgeheimnis gehört?«, entgegnete Leo gereizt.
    »Komm, zier dich nicht so. Wir pennen in derselben Zelle. Da darf ich auch deine Kaliber lesen.«
    »Kassiber sind heimliche oder verbotene Schreiben eines Häftlings an andere.«

    »Meine Rede. Wir sitzen hier alle in Zakis Anstalt ein.«
    Manchmal wusste Leo nicht, ob sein Freund ein Philosoph mit Artikulationsschwierigkeiten oder nur eine nervige Laberbacke war. Er nahm das Papier vom Teller, stand auf und ging einige Schritte vom Tisch weg.
    Mit einem Mal verstellte ihm Mark Schröder den Weg. Der Sechzehnjährige war einen Kopf größer als Leo. Seine graublauen Augen starrten kalt wie zwei Überwachungskameras. »Sag mal, baggerst du Orla an?«, zischte er.
    »Ich?« Leo vergrub die Hände in den Hosentaschen, womit er unauffällig die Nachricht des Mädchens verschwinden ließ. Seinen Blick schickte er demonstrativ auf Rundflug durch den Speisesaal. Einige Schüler beobachteten sie. Theresa stieß Lena in die Seite, zeigte mit ihrem Messer herüber und flüsterte der Freundin etwas ins Ohr.
    »Natürlich du«, fauchte Mark. »Meinst wohl, ich merke nicht, wie du sie ständig anstarrst?«
    »Zeig mir einen Kerl hier, der das nicht tut.«
    »Ich habe gesehen, wie sie dich angerempelt hat. Hast du sie angemacht?«
    »Quatsch! Ich doch nicht.«
    »Und warum verpasst sie dir dann eine?«
    »Was weiß ich! Wir sind in einer Klasse. Vielleicht gefällt ihr meine Nase nicht.«
    »Da kannst du Gift drauf nehmen. Wer steht schon auf Klugscheißer wie dich? Denkst anscheinend, du wärst der einzige Traumwandler in Salem.«
    »Sag mal, hast du Komplexe? Mir ist das so was von egal, wer der Megasuperobermacho ist. Ich bin nicht scharf auf den Titel.«
    »Dann markier hier nicht den Champ. Deine bescheuerte Pressekampagne bringt die ganze Schule in Schwierigkeiten.«

    »Kampagne?« Leo schüttelte verständnislos den Kopf. »Wegen mir können die Pressefuzzis gerne jeden Tag über dich schreiben.«
    »Wer’s glaubt!« Der Größere begann mit dem Zeigefinger auf die Brust des Kleineren einzustechen. »Ich warne dich zum letzten Mal. Halt dich zurück. Und lass die Finger von Orla. Sie steht unter meinem persönlichen Schutz.« Der Flüpo wandte sich ab und stapfte davon.
    Leo blinzelte irritiert. Orla stand unter Marks persönlichem Schutz? Was sollte das denn bedeuten? Hielt er sich für ihren Lover? Der Typ hatte echt ein Problem. Anscheinend konnte er es nicht abhaben, dass die ganze Schule über einen Neuling sprach, anstatt ihn, den schnellsten Schwimmer von Salem, anzuhimmeln. War er etwa auch ein Traumwandler? Seltsam, dass er nicht von Traumschmieden oder Schlafverwandlern gesprochen, sondern dasselbe Wort benutzt hatte wie Okumus.
    Kopfschüttelnd verließ Leo den Speisesaal und suchte sich im Gang ein helles, unbeobachtetes Plätzchen vor einem Fenster. Dann erst faltete er Orlas Nachricht auseinander. Die kurze Mitteilung verwirrte ihn:
    Heute um 21.30 Uhr in der Klosterbibliothek.
    Die alte Klosterbibliothek von Schloss Salem war ein Juwel. Jahrhunderte literarischen Schaffens auf religiösem, schöngeistigem und wissenschaftlichem Gebiet fanden hier ihren Widerhall in prall gefüllten Regalen, die sich über zwei Stockwerke erstreckten. Leo kannte sie nur aus dem Schulprospekt.
    Wegen des nicht unerheblichen Wertes dieser Schriften konnte nicht jeder in der Bibliothek ein- und ausmarschieren, wie es ihm beliebte. Sie war normalerweise verschlossen. Tagsüber ließ
sich zwar ein Blick in die Schatzkammer des Wissens durch Kauf eines Billetts arrangieren, das zur Teilnahme an einer offiziellen Führung berechtigte. Nachts waren da schon andere Kniffe erforderlich.
    Die Uhrzeit, die sich Orla für ihr konspiratives Treffen ausgesucht hatte, ergab sich aus dem Tagesplan. Die Schüler waren bis 21.30 Uhr mit verschiedenen Schulaktivitäten eingespannt. Leo hatte sich zur Theater-AG gemeldet und würde demnächst in Shakespeares Hamlet den ermordeten Vater des tragischen Helden spielen. Als Geist. Seine Gemahlin, die Königin Gertrude, spielte ein auf den Namen Agatha hörender, sechzehnjähriger Drache mit roten Haaren, Brille und Zahnspange. Der tote König war die einzige Rolle, die man dem Späteinsteiger noch hatte anbieten können.
    Das Trauerspiel endete um halb zehn und für Leo begann die »Flügelzeit« – man hielt sich im näheren Umkreis seines Bettes auf, las, spielte,

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