Das Geheimnis der Wellen
können.«
»Es hat dich verletzt, dass ich nicht zu dir gekommen bin.«
»Ja. Und wütend gemacht. Zum Nachdenken gebracht.« Er stand auf, griff zu den Tellern. Keiner hatte richtig auf das Essen geachtet. »Ich habe Lindsay im Stich gelassen.«
»Nein, Eli.«
»Doch. Unsere Ehe mag ein Fehler gewesen sein, aber wir haben uns beide dafür entschieden. Keiner von uns hat bekommen, was er sich erhofft hat. Und am Ende konnte ich das, was ihr zugestoßen ist, nicht verhindern. Ich weiß nicht, ob sie tot ist, weil ich eine bestimmte Entscheidung gefällt habe, weil wir beide bestimmte Entscheidungen gefällt haben, oder ob es einfach nur ein dummer Zufall war. Ich habe meine Großmutter im Stich gelassen, denn die Abstände zwischen meinen Besuchen sind ständig größer geworden. Bis ich sie irgendwann überhaupt nicht mehr besucht habe. Das hatte sie nicht verdient. Auch sie hätten wir beinahe verloren. Wäre das auch passiert, wenn ich mehr Zeit hier verbracht hätte? Wenn ich nach dem Mord an Lindsay zu ihr gezogen wäre?«
»Bist du etwa der Nabel der Welt? Und du willst mir was von Arroganz erzählen.«
»Nein, aber in meinem tiefsten Innern weiß ich, dass das irgendwie alles zusammenhängt.«
Er drehte sich zu ihr um, ohne auf sie zuzugehen und sie zu berühren.
»Ich verspreche dir, Abra, dass ich dich nicht im Stich lassen werde. Ich werde alles tun, um das zu verhindern, ob es dir nun gefällt oder nicht. Egal, ob du mit mir schläfst oder nicht, ich werde dafür sorgen, dass dir nichts zustößt. Und wenn das geschafft ist, sehen wir weiter.«
Weil sie sich etwas in die Enge getrieben fühlte, stand Abra auf. »Ich mache den Abwasch.«
»Nein, ich mache das.«
»Wie sagtest du so schön? Das Leben ist ein Geben und Nehmen«, rief sie ihm in Erinnerung. »Du hast gekocht. Und ich räume die Küche auf.«
»Na gut. Ich hätte gern eine Kopie deines Terminplans.«
Instinktiv stellten sich ihr sämtliche Nackenhaare auf. »Eli, der ändert sich ständig. Das ist ja das Schöne daran.«
»Ich will wissen, wo du bist. Ich bin kein verdammter Stalker. Es geht nicht darum, dich einzuschränken.«
Sie stellte den Teller ab, den sie in der Hand hielt, und atmete tief durch. »Ich wollte nur sagen, dass ich das auch nicht denke. Ich habe selbst erst gemerkt, dass ich einen Hau fen Ballast aus Washington D.C. mit mir herumschleppe. Mehr als mir lieb ist. Ich glaube, ich hoffe, dass der Haufen kleiner wird. Und dass ich einen Weg finde, ihn ganz loszuwerden.«
»Das braucht Zeit.«
»Ich dachte, die hätte ich mir bereits genommen. Aber anscheinend stimmt das nicht. Und deshalb …« Sie griff erneut zum Teller und stellte ihn in die Geschirrspülmaschine. »Morgen bin ich überwiegend hier. Bis auf meine Yogastunden im Keller des Gemeindehauses. Und um halb fünf habe ich eine Massage. Greta Parrish.«
»Gut, danke.«
Sie räumte das Geschirr in die Spülmaschine und wischte die Küchentheke ab. »Du hast mich nicht einmal angefasst. Nicht, seit du die Stufen zu meinem Cottage heraufgekommen bist. Warum? Weil du böse auf mich bist?«
»Vielleicht. Aber in erster Linie, weil ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst.«
Sie suchte seinen Blick. »Woher soll ich das wissen, wenn du es nicht probierst?«
Er strich ihr erst vorsichtig über den Arm und zog sie dann an sich.
Sie ließ den Spüllappen fallen und schlang die Arme um ihn.
»Es tut mir leid. Ich habe dir etwas verheimlicht. Aber, Eli, er war in meinem Haus! Er hat meine Sachen durchwühlt. Sie berührt. Sie kaputtgemacht, während er darauf gewartet hat, dass ich nach Hause komme.«
»Er wird dir nichts tun.« Eli küsste sie auf die Schläfe. »Das werde ich niemals zulassen.«
»Ich muss darüber hinwegkommen. Ich muss einfach.«
»Das wirst du auch.«
Nicht allein. Nicht ohne ihn.
*
Als Abra am nächsten Morgen aufbrach, versuchte Eli, sich keine Sorgen zu machen. Schließlich war der Gemeindesaal keine drei Kilometer weit weg. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, warum man ihr etwas antun sollte.
Sie würde am späten Vormittag zurück sein. Sobald sie bei ihm in Sicherheit war, würde er arbeiten. Da er zu aufge wühlt war, um sich in seinen Roman zu vertiefen, ging er hin unter in den Keller. Er verbrachte eine ganze Stunde damit, die Regale leer zu räumen und sie zu verschieben.
Länger dauerte es, die Tapetentür von der Kellerseite aus zu öffnen. Als er es endlich geschafft hatte, beschloss er, die
Weitere Kostenlose Bücher