Das Geheimnis der Wellen
stellt das ganze Haus meiner Großmutter auf den Kopf. Da fällt es mir schwer, ruhig zu bleiben.«
»Hab einfach Geduld«, wiederholte Neal. »Und wenn sie fertig sind, ist Schluss mit lustig. Sollten sie einen erneuten Vorstoß wagen, zeigen wir sie an. Vertrau mir, Eli, die da oben haben keinerlei Interesse an dem Gezänk und dem damit verbundenen Aufsehen. Sie werden Wolfe kaltstellen. Gib mir Bescheid, wenn sie wieder abgezogen sind.«
»Gut.«
Eli legte auf. Vielleicht würde Wolfe von seinen Vorgesetzten kaltgestellt werden, offiziell. Aber Eli glaubte keine Sekunde, dass der sich von irgendetwas abhalten ließ.
*
Weil sie spontan Lebensmitteleinkäufe wegen eines Vorschulkindes mit Halsentzündung hatte machen müssen, kam Abra etwas zu spät zu ihrem Yogakurs im Keller des Gemeindehauses.
Sie eilte in den Raum. »Tut mir leid. Natalies Sohn hat eine Halsentzündung, und ich musste ein paar dringende Einkäufe für sie erledigen. Natürlich kommt sie heute auch nicht zum Kurs.«
Schon als sie ihre Matte und ihre Umhängetasche abstellte, spürte sie die seltsame Atmosphäre. Sie bemerkte die fragenden Blicke und vor allem Maureens wutrotes Gesicht.
»Ist irgendwas?«, fragte sie beiläufig und zog den Reißverschluss ihrer Kapuzenjacke auf.
»Die Polizei ist in Bluff House, und zwar mit vielen Beamten. Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, Maureen«, zischte Heather. »Ich hab das schließlich nicht erfunden. Ich habe sie gesehen. Wahrscheinlich verhaften sie Eli, weil er diesen armen Mann ermordet hat. Vielleicht auch seine Frau.«
»Mit vielen Polizeibeamten?«, wiederholte Abra und versuchte möglichst gelassen zu klingen.
»Oh, es ist mindestens ein Dutzend, vielleicht auch mehr. Ich habe gebremst, als ich vorbeigefahren bin, und gesehen, wie Polizisten aus- und eingingen.«
»Du glaubst also, dass man ein Dutzend oder mehr Beamte geschickt hat, nur um einen Mann zu verhaften? War auch eine Spezialeinheit dabei?«
»Ich kann verstehen, dass du ihn verteidigst.« Heathers Stimme triefte nur so von übertriebenem Mitgefühl. »Bei eurer Beziehung …«
»Was geht dich meine Beziehung an?«
»Meine Güte, Abra, es ist schließlich kein Geheimnis. Dein Auto ist dort spätabends und frühmorgens gesehen worden.«
»Wenn ich frage, warum man jede Menge Polizeibeamte braucht, um einen einzigen Mann zu verhaften, verteidige ich ihn? Einen Mann, von dem ich zufällig weiß, dass er den Toten nicht umgebracht hat, weil ich in der fraglichen Zeit mit ihm zusammen war? Oder geht es darum, dass Eli und ich miteinander schlafen?«
»Ich hab doch gar nichts gegen dich, Süße.«
»Ach, hör doch auf mit dem Quatsch«, explodierte Maureen. »Du tust so, als hättest du Mitleid mit Abra, stellst aber gleichzeitig ihren gesunden Menschenverstand infrage. Und für dich ist Eli schuldig, ohne dass du auch nur den Hauch einer Ahnung hast.«
»Ich bin nicht diejenige, die wegen Mordes verdächtigt wird – wegen zweifachen Mordes, um genau zu sein. Und es ist auch nicht mein Haus, das von der Polizei auf den Kopf gestellt wird. Ich will Abra keinen Vorwurf machen, aber …«
»Warum lässt du es nicht einfach dabei bewenden?«, riet Abra ihr. »Ich mache dir schließlich auch keinen Vorwurf, Heather, dass du Gerüchte verbreitest und voreilige Schlüsse über jemanden ziehst, den du gar nicht kennst. Ich finde, wir sollten diesen Raum zur vorurteilsfreien Zone deklarieren und endlich anfangen.«
»Ich habe nur erzählt, was ich mit eigenen Augen gesehen habe.« Augen, die jetzt voller Tränen standen. »Ich habe Kinder. Ich darf mir doch Sorgen machen, wenn ein Mörder in Whiskey Beach wohnt.«
»Wir machen uns alle Sorgen.« Greta Parrish tätschelte Heathers Schulter. »Zumal wir nicht wissen, wer diesen Detektiv aus der Stadt umgebracht hat und warum. Ich finde, wir sollten lieber zusammenhalten, statt krampfhaft einen Schuldigen zu suchen.«
»Ich habe keinen Schuldigen gesucht. Die Polizei ist in Bluff House. Dieser Privatdetektiv kam aus Boston, woher auch Eli Landon kommt. Und jemand hat ihn da erschossen, wo Eli Landon gerade lebt. Ich habe alles Recht der Welt, darüber zu reden und mir Sorgen um meine Familie zu machen.«
Tränenerstickt nahm Heather ihre Sachen und trat die Flucht an.
»Jetzt ist sie das Opfer«, seufzte Maureen.
»Ist ja gut, Maureen, ist ja gut.« Abra holte tief Luft. »Wir sollten die Atmosphäre reinigen. Heather ist nervös, denn es wurde jemand ermordet. Wir
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