Das Geheimnis der Wunderkinder
dem das Kind nicht fertig werden konnte.
Mrs. Bagley seufzte. »Was hast du denn letztes Jahr gemacht?«
»Ich habe mit Rags auf dem Rasen gespielt«, erwiderte James prompt. »Ein Junge mit seinem Hund ist ein völlig normaler Anblick – im Sommer. Als die Schulferien dann beendet waren, blieb ich meistens im Hause, und wenn ich ausging, versuchte ich, jünger auszusehen. Kurze Hosen und schmutziges Gesicht. Ich glaube nicht, daß ich damit dieses Jahr durchkäme.«
»Ich glaube, du hast recht«, stimmte Mrs. Bagley zu.
»Ich möchte jetzt unbedingt meine Maschine fertigstellen und an Martha ausprobieren«, erklärte James.
»An Martha! Aber …«
»Es wird ihr nicht weh tun und bestimmt nicht schaden, Mrs. Bagley«, sagte James geduldig. »Sie muß zunächst einmal lernen, gutes Englisch zu sprechen.«
»Gutes Englisch?« Mrs. Bagley zögerte. Was konnte schlecht daran sein, wenn das Mädchen eine gute Sprache lernte?
»Martha ist physisch und intellektuell noch ein Kind. Angenommen, es fragt sie jemand nach dem Eremiten vom Martin’s Hill? Sie glaubt zwar an seine Existenz und kann sie gut vorspielen, aber wenn man ihr persönliche Fragen stellen würde, zum Beispiel, was er ißt und dergleichen, dann besitzt sie noch nicht genügend Verstand, um ein überzeugendes Bild zu improvisieren.«
»Warum sollte sie jemand nach so persönlichen Dingen fragen?«
»Einem Erwachsenen persönliche Fragen zu stellen, wird als ungehörige Neugier empfunden; bei einem Kind bedeutet es ein höfliches Interesse an seiner Umwelt. Sie und ich, Mrs. Bagley, haben ein vollständiges Bild des Eremiten bereit, und mit unserer Erziehung können wir jederzeit plausible Antworten improvisieren. Ich habe gehofft, meine Maschine rechtzeitig zu vollenden, um Martha die Fähigkeit zu geben, das gleiche tun zu können.«
»Was können wir also tun?«
»Ich glaube, das einzige, was wir tun können, ist, uns zu verstecken«, antwortete James. »Glücklicherweise werden ja fast alle geschäftlichen Angelegenheiten von hier aus brieflich erledigt. Schreiben Sie an irgendeine Internatsschule, die ein gutes Stück entfernt von Shipmont liegt, und erkundigen Sie sich betreffs der Aufnahme eines siebenjährigen Mädchens und eines achtjährigen Jungen. Robert Holmes, unser Postmeister-Taxifahrer-Stationsvorsteher, liest alles, was nicht versiegelt ist. Er wird die Adressen sehen und auch die Antwort begutachten.«
»Und dann werden wir so tun, als ob Martha und du ins Internat geschickt werden?«
James nickte. »Es wird schwierig sein, immer im Hause zu bleiben und sich zu verbergen, aber in dieser Klimazone wird das Wetter sehr früh ungemütlich, und das hält die Leute davon ab, sich allzusehr um andere zu kümmern.«
»Aber dieser Stationsvorsteher …?«
»Wir müssen Robert Sand in die Augen streuen«, erklärte James. »Wir müssen das Ganze plausibel machen. Sie müssen Martha und mich fortbringen und allein zurückkommen, geradeso als wären wir in der Schule geblieben.«
»Wir müßten einen Wagen haben«, sagte Mrs. Bagley.
»Einen Wagen konnte ich mir nicht anschaffen, denn ich hätte ihn schlecht selbst in Empfang nehmen können«, meinte James. »Ich fand es außerdem besser, daß sich die Leute in Shipmont darüber wunderten, warum Charles Maxwell keinen Wagen besaß, als daß sie sich den Kopf zerbrachen, warum er einen Wagen hatte und niemals benutzte. Zudem kostet ein Wagen Geld …«
Mrs. Bagley lächelte selbstzufrieden. »Hier könnte ich helfen«, sagte sie. »Ich kann einen Wagen kaufen.«
James war überrascht. »Können Sie es sich denn leisten?«
Mrs. Bagley nickte. »James, ich habe ein schweres Leben gehabt, und ich mußte immer an das Morgen denken. Selbst als die Dinge am schlechtesten standen, habe ich noch versucht, etwas beiseite zu legen – manchmal waren es nur ein paar Dollar, manchmal auch gar nichts. Aber jetzt … jetzt brauche ich keine Angst mehr vor dem Morgen zu haben.«
James war hocherfreut.
»Es wird kein nagelneues Auto sein«, fuhr Mrs. Bagley fort. »Aber man hat mir gesagt, daß man schon für zwei- oder dreihundert Dollar einen guten Gebrauchtwagen bekommen kann. Tim Fisher hat in seiner Garage einen stehen, der für uns gerade richtig zu sein scheint. Und außerdem«, schloß sie, »gibt mir das eine gute Gelegenheit, etwas mehr Propaganda für Maxwell und das Internat zu treiben.«
Der Brief wurde ein Meisterwerk. Darin stand, daß Charles Maxwell beabsichtige – ohne
Weitere Kostenlose Bücher