Das Geheimnis der Wunderkinder
sich jedoch festzulegen –, seinen jungen Schützling zusammen mit der Tochter seiner Haushälterin in ein Internat zu geben. Man bat die Schule um Auskünfte und Rat und erklärte die Umstände, die Charles Maxwell veranlaßten, so zurückgezogen zu leben.
Die Antwort auf diesen Brief hätte kaum besser sein können, wenn sie diese selbst verfaßt hätten. Das Für und Wider einer Schulerziehung fern von zu Hause wurde erwogen und dann langatmig das Aufwachsen der Kinder in einer fremden Umgebung behandelt.
Der Brief lud zu einer längeren unverbindlichen Korrespondenz ein – genau das, was James sich gewünscht hatte.
Die angebliche Abreise zur Schule verlief reibungslos. Niemand in Shipmont war überrascht, als Mrs. Bagley einen Wagen aus zweiter Hand kaufte, denn in dieser Gemeinde hatten sie fast alle einen.
Alle zwei bis drei Wochen trafen weiterhin Briefe von der Schule ein, die von Mrs. Bagley mit der Bemerkung empfangen wurden, daß es Berichte über die Fortschritte der Kinder seien.
Tatsächlich waren es kleine Abhandlungen über theoretische Kindererziehung. Die Korrespondenz wurde aufrechterhalten wegen der nützlichen Informationen und auch, weil Mrs. Bagley diesen Kontakt mit der Außenwelt genoß.
Inzwischen hatte James seine Wachstumsperiode abgeschlossen, und seine Rastlosigkeit legte sich wieder. Wenn er es sich leisten konnte, die notwendigen Materialien zu kaufen, setzte er seine Arbeit an der Maschine fort, und auch seine Schreiberei ging nun wieder flüssig voran. In seiner Freizeit begann James damit, Marthas Aussprache zu korrigieren.
Martha war nicht etwa ein zurückgebliebenes Kind, aber da ihr während der ersten Lebensjahre ständige elterliche Aufsicht gefehlt hatte – da der Vater tot war und die Mutter arbeiten mußte –, hatte sie gewisse Kinderfehler in ihrer Sprache nie überwunden.
James kam nur langsam mit Martha voran, aber er hielt es für notwendig, sie ein wenig vorzubereiten, bevor er die Maschine bei ihr anwendete.
Janet Bagley wußte, daß die Maschine Fortschritte machte, aber sie glaubte nicht ernsthaft, daß sie jemals fertig würde. Sie hatte sich an das Leben auf Martin’s Hill gewöhnt, von ihrer Warte aus war es ein angenehmes Leben.
Und dann war die Maschine fertig.
Als Mrs. Bagley sein Arbeitszimmer betrat, um ihm ein Sandwich und ein Glas Milch zu bringen, fand sie James auf einem Stuhl sitzend und mit einem schweren Helm auf dem Kopf vor, wie er laut aus einem Buch über Elektronen-Theorie las.
Mrs. Bagley blieb erschrocken an der Tür stehen, und James blickte auf. »Sie ist fertig«, sagte er stolz.
»Ganz?«
»Nun, die Hauptsache«, erwiderte James. »Sie funktioniert jedenfalls.«
Mrs. Bagley betrachtete zweifelnd das merkwürdig aussehende Gebilde. Es sah gar nicht fertig aus. Vor allem sah es nicht sicher aus. Dennoch vertraute sie James, obgleich sie wahrscheinlich alt und grau werden und darüber sterben würde, bevor sie begriff, wie und warum eine solche Sammlung von Apparaten zusammen funktionieren und gleichzeitig so unfertig und unzusammenhängend aussehen konnte.
»Kann sie mir auch etwas beibringen?«
»Wenn Sie gern etwas für immer wissen möchten.«
»Ich würde gern meine Lieblingsrezepte aus dem Kochbuch auswendig wissen.«
»Holen Sie das Buch«, sagte James.
Sie zögerte. »Wie geht das denn?« fragte sie.
»Wie erinnern wir uns im allgemeinen an etwas?« fragte er zurück.
Mrs. Bagley dachte nach. »Indem wir wiederholen und wiederholen und es uns immer wieder vorsagen.«
»Ja. Diese Maschine übernimmt das Wiederholen für Sie. Elektromechanisch.«
»Aber wie?«
James lächelte bekümmert. »Ich kann es Ihnen nur in großen Zügen erklären, bis ich Zeit habe, alle Fachgebiete zu studieren, die zur endgültigen Theorie geführt haben.«
»Du meine Güte, mehr will ich ja auch gar nicht wissen«, rief Mrs. Bagley, »die Prinzipien verstehe ich sowieso nicht.«
»Also, die allgemeine Theorie geht dahin, daß gewisse Gehirnzellen genügend Informationen sammeln und speichern, um ein vollständiges Gedächtnis zu bilden. Durch den Prozeß des Auswendiglernens werden eben durch die ständige Wiederholung individuelle Zellen aktiviert und miteinander verbunden.
Zweitens ist das Gehirn ein Gefangener innerhalb des Schädels, verbunden mit der ›Außenwelt‹ durch die fünf Sinne – Gesichts-, Gehör-, Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn. Regt man einen dieser Sinne an, dann empfängt das Gehirn als Folge davon
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