Das Geheimnis der Wunderkinder
gesetzlich nicht berechtigt, als Zeuge aufzutreten!«
»Euer Ehren, ich bitte um eine Ausnahme! Es ist meine Absicht, James Holden in den Zeugenstand zu rufen, um diesem Gericht und aller Welt zu zeigen, daß er ehrliche Absichten hat und qualifiziert ist, die Rechte eines Erwachsenen auszuüben. Wir möchten nicht nur zeigen, daß er bisher stets ehrenhaft gehandelt hat, sondern auch, daß James Holden sogar das Gesetz konsultierte, um sicherzugehen, daß seine Handlungen nicht illegal waren.«
»Oder war es so, daß er wissen wollte, wie nahe er an die Grenze gehen konnte, ohne sie zu überschreiten?« warf Manison ein.
»Euer Ehren«, sagte Waterman, »ich bitte um Ihre Nachsicht.«
»Einspruch! Das Kind ist minderjährig!«
»Diese Feststellung akzeptiere ich«, fuhr Waterman auf. »Aber wir beabsichtigen, zu beweisen, daß dieser Minderjährige qualifiziert ist, wie ein Erwachsener zu handeln.«
»Euer Ehren«, sagte Frank Manison, »wie wird es mit dem Fall James Holden in den nächsten acht oder zehn Jahren weitergehen, wenn wir ihm gesetzlich zugestehen, sein eigenes Leben zu bestimmen wie ein Erwachsener? Es ist offensichtlich, daß dann die Gesetze bezüglich der Schulpflicht abgeändert werden müssen. James Holden ist zwölf Jahre und fünf Monate alt. Wird er das Recht haben, in eine Kneipe zu gehen und Alkohol zu trinken? Wird seinem Antrag auf eine Heiratserlaubnis stattgegeben? Darf er das Wahllokal betreten und seine Stimme abgeben? Müssen wir von nun an James Holden eine Kennkarte ausstellen, die auf seinen gesetzlichen Status hinweist und die jedes Jahr erneuert werden muß, weil der Junge noch wachsen, an Gewicht zunehmen und zu guter Letzt noch einen Bart bekommen wird? Müssen wir auf dem Ausweis vermerken, daß er gesetzlich dazu berechtigt ist, Verträge zu unterzeichnen, ein Haus zu mieten, Schecks auszustellen und so fort – oder sollen wir lieber eine Liste der Dinge aufführen, die er nicht tun darf, wie Trinken in einem öffentlichen Lokal, wählen oder heiraten? Dieser Staat gestattet einem Jugendlichen im Alter von sechzehn Jahren ein Auto zu fahren, da Autofahren als eine Sache der Geschicklichkeit betrachtet wird. Darf James Holden dann ein Auto fahren, obgleich er nicht zugleich durch die Windschutzscheibe sehen und Fußpedale erreichen kann?«
Richter Carter hörte Manison an und sagte dann ruhig. »Nehmen Sie in das Protokoll auf, daß ich mir der Irregularität dieses Verfahrens bewußt bin und daß ich es nur gestatte, weil dieser Fall wirklich ungewöhnliche Aspekte hat. Wäre hier eine Jury, würde ich sie entlassen, bis der Austausch der verschiedenen Ansichten beendet ist.
Nun zur Sache«, fuhr er fort. »Ich werde James Holden nicht gestatten, den Zeugenstand als qualifizierter Zeuge zu betreten, um zu beweisen, daß er ein qualifizierter Zeuge ist. Ich bin überzeugt, daß er seine Fähigkeiten in einer Rede von akademischer Brillanz vorführen kann, sonst würde sein Anwalt sich nicht bemühen, ihn in den Zeugenstand zu berufen, wo sich ihm dazu die beste Möglichkeit bietet. Für das Gericht und den Staat ist es von größerer Wichtigkeit, zu einer gerechten Entscheidung bezüglich der Verantwortung im Falle James Quincy Holden zu kommen.«
Richter Carter beugte sich vor und sah der Reihe nach Frank Manison, James Holden und Anwalt Waterman an. »Wir müssen einigen unerquicklichen Tatsachen ins Gesicht sehen«, sagte er dann. »Wenn ich entscheide, daß James Holden zu Mr. Brennan zurückkehren soll, so wird er höchstwahrscheinlich nicht länger dort bleiben, als es ihm paßt und sich dann so verhalten, als hätte diese Gerichtsverhandlung nie stattgefunden. Habe ich recht, Mr. Manison?«
»Euer Ehren, Sie haben völlig recht. Ich schlage daher vor, daß Sie die Verantwortung für James Holden in meine Hände legen. Als Beamter des Gerichts würde mein Interesse vor allem dahin gehen, die Interessen des Staates wahrzunehmen und weniger der richtigen Behandlung eines Wunderkindes gelten. Mit anderen Worten, ich könnte die Kontrolle ausüben, die dieser junge Mann benötigt – ohne die Fehler zu machen, die Mr. Brennan durch seine persönliche Ansicht, wie Kinder aufgezogen werden sollten, unterlaufen sind.«
»Einspruch, Euer Ehren!« schrie Waterman.
Brennan sprang auf. »Manison, Sie können mich nicht einfach übergehen …«
»Ich will nicht!« rief James Holden gellend.
Richter Carter blickte einen nach dem anderen an, bis Schweigen herrschte. Dann
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