Das Geheimnis Des Amuletts
liebevoll sein wie sie, aber die ganze Zeit über war mir insgeheim klar, dass ich Josh leiden ließ und dass unsere Treffen für ihn nicht nur Freude, sondern auch Schmerz bedeuteten. Ich wollte ihm nicht weh tun, aber obwohl ich akzeptiert hatte, dass Sebastian tot war, und obwohl ich seine Erlösung begrüßt hatte, fühlte ich mich immer noch eingefroren in der Zeit, wie eine Statue aus Eis.
Ich hätte mich so gern wieder ins Leben gestürzt, so wie Sebastian mich gebeten hatte, aber ich hatte Angst. Es kam mir so vor, als würde meine Liebe zu Sebastian beendet sein, wenn ich mir erlaubte, jemand anderen zu lieben. Er wäre dann endgültig Vergangenheit: »Nur ein Junge, den ich mal gekannt habe, aber jetzt ist es vorbei …« Diese Vorstellung war unerträglich. Ich klammerte mich also an die Erinnerung an ihn, wie die letzte Rose des Sommers sich an den Zweig klammert, lange, nachdem ihre Blüte und ihr Duft verschwunden sind.
Josh und ich waren nur Freunde, redete ich mir ein, und dann fand ich einen Grund nach dem anderen, um ihn in den Ställen zu treffen oder wegen irgendeiner banalen Angelegenheit in die Stadt oder zur Kirche ins Dorf zu begleiten. Er war so gut und stark und gütig – aber ich konnte mir einfach nicht eingestehen, dass ich ihn brauchte und wie viel ich für ihn empfand. Oder vielleicht weigerte sich mein Kopf auch einfach nur anzuerkennen, was mein Herz bereits wusste.
Und da waren wir also: Cal und Sarah, Josh und Evie. Wir vier hatten uns bereiterklärt, eine Möglichkeit zu suchen, wie wir Laura befreien konnten, aufgerüttelt durch Sarahs glühende Worte. Während wir weiter über die Sache sprachen, wurde es dunkel, und wir schwelgten in Träumen und Phantasien. Plötzlich schien es nur noch eine kleine Aufgabe zu sein, die uns bevorstand, als wäre es leicht, Laura zu befreien und der Priesterin und ihrem Hexenzirkel den letzten, entscheidenden Schlag zu versetzen. Und dann, schon sehr bald, würden Sarah und ich die Schule verlassen und uns für immer von Wyldcliffe verabschieden können. Wir schmiedeten mit den Jungen verrückte Pläne, dass wir nach London ziehen und zusammen studieren würden, dass wir uns alle zusammen ein großes altes Haus am Meer kaufen würden, wenn »all das« vorbei wäre und wir mit unserem normalen Leben fortfahren könnten …
Schließlich mussten wir gehen und Josh und Cal in den Ställen zurücklassen. Wir liefen zum Kunstraum, um Helen zu finden und ihr von unseren Plänen im Hinblick auf Laura zu erzählen, aber sie war nicht da. Sie musste schon zum Essen gegangen sein, da die Glocke bereits klingelte. Da es unmöglich sein würde, im Speisesaal mit ihr zu sprechen, hofften wir, danach Gelegenheit dazu zu haben. Während die Mistresses hereinströmten und ihre Plätze am Lehrertisch einnahmen, kam Helen verspätet in den Speisesaal. Sie wirkte blass und müde. »Agnes’ Studierzimmer nach dem Essen, okay?«, flüsterte ich ihr zu.
Sie sah mich seltsam zögernd an, aber dann nickte sie zustimmend, und ich wartete ungeduldig darauf, dass das Essen vorüber war. Statt allerdings entlassen zu werden, als die Tische abgeräumt worden waren und das Dankesgebet zum Abschluss gesprochen worden war, befahl man uns, wieder Platz zu nehmen, da eine wichtige Nachricht verkündet werden würde. Geflüster und das Scharren von Stuhlbeinen und Bänken auf dem Boden erklangen, als die Schülerinnen erwartungsvoll wieder Platz nahmen. Ich erinnerte mich an meinen ersten Abend in Wyldcliffe, als Mrs. Hartle mich der Schule vorgestellt hatte und zweihundert Augenpaare sich feindselig auf mich gerichtet hatten. Ich hatte mich so allein gefühlt wie ein Kind, das den Armen der Mutter entrissen worden war.
Aber ich hatte überlebt. Jetzt hatte ich Freunde in Wyldcliffe, tiefe Verbindungen, die niemals zerreißen würden, wer immer auch in der Schule das Sagen hatte. Sarah und Helen, Josh und Cal: Sie alle waren jetzt ein Teil von mir. Und verborgen in der geheimen Vergangenheit dieses seltsamen Ortes wartete Agnes, meine Ahnin und Freundin, meine Schwester des Feuers, immer darauf, dass ich über den Fluss der Zeit hinweg die Hand nach ihr ausstreckte. Wir waren miteinander verbunden – durch den magischen Talisman, den ich verborgen an einer schönen Silberkette um den Hals trug, und durch die Liebe zu einem Jungen namens Sebastian Fairfax, der die ganze Welt für mich gewesen war und noch immer mein Herz bewachte.
Es war Miss Hetherington, die unsere
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