Das Geheimnis Des Amuletts
schwärzer und dunkler als je zuvor. Und dann begann in einer Zimmerecke auf der fleckigen Oberfläche eines altmodischen Spiegels ein blasses Licht zu leuchten. Ich ging dorthin, angezogen von dem Licht. Ich sah im Spiegel mein schemenhaftes Spiegelbild … aber nein, da stimmte etwas nicht … diese Augen hatten die Farbe des grauen Meeres. Dieses Mädchen war nicht ich … es war Agnes, und sie versuchte, mir etwas zu sagen. Ihre Stimme war wie ein fernes Flüstern im Wind. »Das ist nicht der Weg. Unsere Aufgabe ist es zu geben, nicht zu empfangen. Sich zu verströmen, nicht zu nehmen. Große Kräfte erfordern große Opfer.«
Agnes’ Gesicht war voller Liebe und Verständnis. »Schon bald, Helen, bald ist deine Zeit gekommen, wenn alle Wege sich kreuzen, aber du musst dem Zeichen folgen, das geschickt wird.« Sie streckte mir ihre Hände entgegen, und ich beeilte mich, sie zu nehmen, aber als ich das Glas berührte, zerbarst es in tausend Stücke, die wie weicher, glitzernder Regen auf den Boden fielen.
Ich war allein in der Dunkelheit. Es würde keinen leichten Weg zur Herrlichkeit für mich geben.
Das Siegel würde meinem Befehl nicht gehorchen, und es würde mir auch nicht geben, was ich mir wünschte, nur weil ich das wollte. Opfer, nicht Selbstsucht, war der Pfad des Siegels. Und was wusste meine Mutter darüber? Alles hatte sie ihren egoistischen Wünschen geopfert, selbst ihre Tochter.
Ich kehrte durch die Dunkelheit zurück und legte mich wieder in mein schmales Bett.
Zehn
Das Zeugnis von Sarah Fitzalan
Wir warteten einfach in der Dunkelheit. Ich konnte unsere Probleme nicht mehr einfach ignorieren. Es war wunderbar, mit Cal und meinen Freunden zusammen zu sein, aber Helen entglitt uns mehr und mehr, und ich musste etwas tun.
»Es war so gedacht, dass wir zusammenarbeiten«, ärgerte ich mich. »Wieso tut Helen so geheimnisvoll? Wieso versucht sie uns auszuschließen?« Cal, Josh, Evie und ich waren wie üblich in den Stallungen. Ich zerfetzte gerade ungeduldig ein Stück Stroh, sprang auf und sagte sicher zum hundertsten Mal: »Wir müssen etwas unternehmen.«
»Nur vom Reden passiert nichts«, sagte Cal und legte seine Arme um mich, damit ich mich besser fühlte. »Du bist das alles schon so oft durchgegangen. Was könntest du sonst noch tun?«
»Wenn nur Miss Scratton noch hier wäre«, seufzte Evie.
Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, als ich mich an unsere Wächterin erinnerte. Ich hätte sie so gern wiedergesehen.
»Was würde sie wollen, dass wir tun?«, fragte ich. »Ich meine, Miss Scratton?«
»Dass wir stark bleiben«, antwortete Evie. »Ehrlich zueinander sind. Niemals Angst haben.«
»Ja, natürlich«, stimmte ich ihr zu. »Aber es muss noch etwas anderes geben … etwas muss geschehen, etwas Praktisches. Es ist Zeit, dass wir erfahren, was mit diesen Schlüsseln ist, von denen Miss Scratton gesprochen hat. Sie sagte – was war es? – das Geheimnis der Schlüssel ist nahe. Was hat sie damit gemeint?«
»Sie hat auch gesagt, dass dies jetzt Helens Zeit ist«, sagte Evie. »Ich habe mir mein Hirn darüber zermartert, um was für Schlüssel es sich handeln könnte, aber vielleicht ist es Helens Aufgabe, das herauszufinden, wie Miss Scratton gesagt hat. Alles, was wir tun können, ist womöglich, sie zu unterstützen und uns bereitzuhalten. Was immer passiert, wir werden uns dem gemeinsam stellen.« Cals Arm um meine Schultern wurde fester. Mit jemandem zusammen zu sein fühlte sich in diesem Moment sehr wertvoll an.
»Wir sind mit jemandem zusammen, aber Helen ist allein und unglücklich«, äußerte ich besorgt. »Sie hat noch nicht gefunden, was sie sucht.«
»Hat Miss Scratton nicht gesagt, dass sie dazu bestimmt ist, jemandem zu begegnen?«, fragte Josh. Er warf Evie einen zögernden Blick zu und fügte hinzu: »Jemandem, der sie liebt. Ist es nicht das, was wir alle suchen?«
Armer Josh , dachte ich. Seine eigene Liebe zu Evie brannte wie eine Kerze in einem leeren Raum. Sie errötete und sah zur Seite.
»Ja, das hat sie gesagt«, sagte ich brüsk, in dem Versuch, die verlegene Stille zu überbrücken. »Und Miss Scratton hat zu Helen gesagt, dass … was war es noch? Etwas über jemanden, der sie über das Ende der Welt hinaus lieben würde. Es klang alles ganz wundervoll, aber es scheint nicht einzutreten, oder? Helen sagt, dass es ihr gut geht, aber ich weiß, dass sie ziemlich angespannt ist. Sie wird niemals zur Ruhe kommen, solange der Geist dieser üblen
Weitere Kostenlose Bücher