Das Geheimnis Des Amuletts

Klippe aus festem Felsgestein kamen.
    »Was hat das zu bedeuten, Kundar?«, fragte ich besorgt. »Wir können nicht weiterfahren.«
    »Ich kann euch über die geheimen Wasserwege nach unten bringen«, sagte er. »Nur die Kinsfolk kennen diese Pfade jetzt noch.« Er ließ das Boot etwas näher an den Felsen herantreiben, und wir sahen plötzlich eine schmale Öffnung, die gerade breit genug war, dass das Boot durchpasste. Ich atmete nur noch mühsam, als Kundar uns in diesen Spalt hineinsteuerte und die Wände ganz nah an uns heranrückten. Evie drückte sich dicht an Josh, aber ich sah, dass Sarah groß und aufrecht mit der Krone aus Blättern auf dem Kopf vorn im Boot saß; sie schien sich in der Erde, bei den Wurzeln aller Dinge, ganz zuhause zu fühlen.
    Die Steinwände sahen aus, als wären sie mit irgendeinem phosphoreszierenden Schleim überzogen, der trüb grünlich leuchtete. Ich befürchtete, dass das Boot jeden Moment stecken bleiben würde, aber Kundar behielt den Kurs bei, auch wenn die Decke manchmal so tief herunterkam, dass sie fast unsere Köpfe berührte. Es war, als würden wir Zoll für Zoll ins Herz der Erde fahren, die uns jeden Moment wie unbedeutende Insekten zermalmen konnte. »Mutter Erde, sei gütig zu uns«, betete ich. »Beschütze uns mit deiner gewaltigen Stärke, bitte. Bitte …«
    Etwas veränderte sich in der Luft. Sie wurde kühler und frischer, das Wasser wurde flacher, und dann verließen wir den erstickenden Tunnel auf der anderen Seite. Das Boot kam langsam auf einer feinkörnigen Sandbank zum Halt, und wir stiegen dankbar aus. Wir befanden uns in einer Höhle aus glitzernden Kristallen, die von herabhängenden Bronzelampen erhellt wurde. In der Mitte stand eine massive, rechteckige Steinsäule, die bis zur Decke reichte. Sie war mit kunstvoll eingearbeiteten Gestalten und Mustern bedeckt, und ganz oben befand sich das Bild eines großen, sehenden Auges.
    Kundar näherte sich der Säule als Erster, aber obwohl er auf ihre Wunder hinwies, achtete er sorgsam darauf, sie nicht zu berühren. »Seht nur! Die vier Seiten des Auges. Norden, Süden, Osten und Westen. Es sieht in alle Richtungen. Es sieht in die Vergangenheit, in die Gegenwart und in die Zukunft, und es sieht sogar, was hätte sein können.«
    Ich starrte die Säule voller Ehrfurcht an. Sarah machte sich eilig daran, ihre Tasche auszupacken, nahm Kerzen und Kräuter und andere mystische Gegenstände heraus, wie auch das Buch der Überlieferungen.
    »Was kommt als Nächstes?«, fragte Josh leise.
    »Wir müssen Lauras Geist erreichen und mit ihr sprechen«, sagte ich, und Cal murmelte neben mir: »Ich hoffe, sie hört uns noch. Woher wissen wir, dass sie inzwischen nicht zu irgendeinem Dämon geworden ist?«
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Evie nervös.
    »Wyldcliffe ist ein Land dunkler Geister«, sagte Kundar. »Zeitalter um Zeitalter zieht der Schatten über das Land, und wir werden verwirrt. Manchmal kommen Krankheiten, manchmal Krieg – manchmal das Böse.«
    »Es ist auch ein Land der Wunder«, sagte ich ruhig. »Deshalb sind wir heute Nacht hier. Wegen eines Wunders.«
    Aber etwas ließ mich zögern. Glaubte ich wirklich, dass ich die Macht hatte, das hier zu tun?
    »Wir können es schaffen«, flüsterte Sarah, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Du kannst alles tun, was du willst, Helen.«
    Die Höhle hallte von Erinnerungen wider. » Ich denke, dass du alles tun kannst, was du tun willst. Du kannst alles sein, was du willst. Du kannst sogar glücklich sein, wenn du das möchtest. Du musst es nur glauben.«
    Ehe ich mich’s versah, rief ich leise: »Genau das hat er gesagt!«
    »Wer?«
    Ich lächelte kurz und schüttelte den Kopf. »Niemand. Fangen wir an.«
    »Dann zeig uns, was wir tun müssen, Helen«, sagte Cal. »Wir sollten nicht länger als unbedingt nötig hier unten bleiben.«
    Ich ging langsam einmal ganz um die rechteckige Säule herum und starrte hinauf zu der Stelle, wo sie mit der glitzernden Decke verbunden war. Sie kam mir wie eine große Baumwurzel vor, die keinen Anfang und kein Ende hatte. Dann bemerkte ich einen langen, groben Stein, der neben der Säule lag und wie eine Bank oder ein Tisch wirkte. »Was ist das?«
    »Ein Platz für Opfergaben«, sagte Kundar. »Um den Hunger der Zeit zu stillen. Gib, und dir wird gegeben werden.«
    »Aber was sollen wir geben?« Ich sah die anderen an. »Was haben wir, das wir geben könnten?«
    Es kam keine Antwort. Meine Freunde sahen einander