Das Geheimnis Des Amuletts
erwartungsvoll, aber auch verängstigt.
»Laura!«, rief ich. »Wirst du von deinen Fesseln ins Licht treten? Wirst du dein Gefängnis verlassen?«
»Ich möchte gern«, flüsterte Laura. »Aber ihr braucht stärkere Kräfte, um meine Fesseln zu brechen.« Ihr Bild schien zu verblassen und sich zu verzerren; dann verwandelte es sich wieder in eine leblose Zeichnung.
»Nein! Warte!«, sagte ich. »Warte!« Aber es war zu spät. Sie konnte uns nicht mehr hören.
»Es hat nicht funktioniert«, sagte ich bitterlich enttäuscht. Unser Kreis genügte nicht für diese Aufgabe. Unseren Kräften fehlte etwas. Evie hatte ihren Talisman, und Sarah trug ihre Krone. Aber was hatte ich? Welche Gabe brachte ich wirklich zu unserer heimlichen Zeremonie mit?
In diesem Moment wusste ich, was ich zu tun hatte. Dies war der Moment, das Siegel zu beanspruchen, nicht für mich selbst, sondern um jemandem zu helfen, die mehr gelitten hatte als ich. Ich schämte mich in diesem Moment, dass ich mich jemals über mein Leben beklagt hatte. Lauras Leben war vollkommen zerstört worden, während ich immer noch die Hoffnung hatte … ich hatte immer noch das Siegel.
Ich beeilte mich, die Brosche von meiner Kleidung zu lösen. Ich musste nur an meine Kräfte glauben und an meine Verbindung mit diesem Gegenstand und was er darstellte.
Und was war, wenn das Siegel antwortete? Würde dies bedeuten, dass ich mich für ein Leben des Dienstes anstelle der Erfüllung entschied? Die Person, die dieses Siegel annimmt, wird niemals heiraten oder Kinder haben oder alt werden oder richtig sterben. War ich wirklich bereit, dieses Opfer zu bringen, eine andere Entscheidung zu treffen, als meine Mutter es vor all den Jahren getan hatte? Ich dachte an Lynton und an meine heimlichen Hoffnungen. Konnte ich jemals von Lynton geliebt werden und ein »normales« Leben mit ihm führen? Oder war dies mein Schicksal: andere zu lieben und ohne Hoffnung auf Belohnung für sie zu arbeiten?
Ich starrte das Siegel an. Ein Kreis, der von zwei geschwungenen Linien durchkreuzt wurde. Leuchtende Flügel flogen vor der Sonne vorbei … Mein Herz schlug schneller; ich hatte Angst, aber ich war bereit, alles zu riskieren, um meine Aufgabe zu erfüllen. Ich wollte Laura retten. Ich wollte den Pfad der Heilung beschreiten. Und ich wusste, dass auch Lynton von mir wollen würde, dass ich das tat.
Jetzt … und jetzt … und jetzt …
Ich war bereit.
Ich stand im Zentrum des dunklen Herzens der Erde, unter dem Auge der Zeit. Wir hatten einen Kreis aus Flammen und Stein und Wind und Wasser gemacht. Wir waren alle in Freundschaft verbunden. Der Ort, an dem sich Kreise treffen und alle Pfade kreuzen. Ich legte das Siegel auf den Stein der Opfergaben und kniete davor nieder. Stumm zog ich mich in mein innerstes Selbst zurück und griff nach meinem heiligen Element. Ich sah die wirbelnden Gase des Universums sich bilden. Ich wurde der Wind, der über gewaltige Kontinente streicht, ich hauchte einem Neugeborenen den ersten Atem ein. Ich war Luft und Energie und unsichtbares Licht. Worte kamen, und ich sprach sie laut aus:
»Ich bin Feuer und Luft,
Ich bin Erde und Regen,
Alle Dinge treffen sich in mir
Und werden erneuert.«
Ich streckte die Hand aus und berührte die Brosche leicht dort, wo die beiden dolchähnlichen Stücke sich kreuzten. »Öffne dich«, befahl ich. »Ich bin bereit.«
Licht barst aus dem Siegel. Alles änderte sich. Ich stand oben auf dem Ridge im Steinkreis unter einem schwarzen Himmel, an dem die Sterne wirbelten. Die Zeit kehrte sich um. Der Wind – der Atem des Lebens – raste über das Land. Eine Gruppe strahlender Wesen sang überall um mich herum, und ich hielt das Siegel hoch über den Kopf, so dass sein Licht das ganze Tal von Wyldcliffe erhellte. Der Schatten eines Mädchens tauchte aus dem großen schwarzen Stein in der Mitte des Kreises auf. Sie kam langsam auf mich zu, und ihr Gesicht war voller Freude und Hoffnung.
»Laura!«
Dann war ich wieder in der unterirdischen Höhle, nahm sie mit der Kraft meines Willens vom Ort meiner Vision mit in die Welt aus Erde und Stein. »Laura«, rief ich. »Werde heute Nacht unsere Schwester! Tritt unserem Kreis bei! Verlasse dein Gefängnis, und begib dich in den Tanz von Leben und Tod! Wir geben dir unsere Kraft und unseren Mut. Wir geben dir das Licht, das für alle scheint, die jung sterben.«
Im nächsten Augenblick stand Laura vor uns. Sie war lebendig und unversehrt, und es schien ihr gut zu gehen
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