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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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abgestaubt, sortiert und an den richtigen Platz gestellt, indessen ich mich mit dem Katalog befasste.
    Die Tätigkeit des jungen Mannes, der voller Energie den Staub von den einzelnen Büchern pustete und schüttelte, förderte eine Reihe von Gegenständen zutage, die er, nach kurzer Beratung mit mir, in den Papierkorb warf. Verwelkte Blumen, lose Namensschilder, vergessene Briefe und Rechnungen. Auf die Briefe warf ich einen flüchtigen Blick, ehe ich sie mit dem übrigen Müll in der Versenkung verschwinden ließ. Es war schon gegen Dienstschluss – Giuseppe Fossi hatte sich immer noch nicht blicken lassen –, als mir der Assistent einen weiteren Brief zwecks Freigabe für den Papierkorb vorwies.
    »Steckte in einem Gedichtband«, sagte er, »aber da er von Professor Donati, dem Direktor des Kunstrats, unterzeichnet ist, sollte man ihn vielleicht nicht einfach wegwerfen.«
    Ich blickte auf die Unterschrift. Aldo Donati. Aber es war nicht die Handschrift meines Bruders, sondern die meines Vaters.
    »In Ordnung«, sagte ich, »ich kümmere mich darum.«
    Der junge Mann war schon wieder bei seiner Sortierarbeit, als ich ihm nachrief: »Wo, sagten Sie, haben Sie den Brief gefunden?«
    »In einer Auswahl von Leopardi-Gedichten«, rief er zurück. »Hat laut Ex libris einem Mann namens Luigi Speca gehört. Der Band lag in einer der Kisten, die wir heute morgen ausgepackt haben.«
    Der Brief war kurz. Oben war die Adresse angegeben: 8, Via del Sogni, Ruffano. Dazu das Datum: 30. November 1925. Ich war seltsam bewegt beim Anblick der verblassten schwarzen Tinte, des grauen Briefpapiers, der Handschrift meines Vaters. Der Brief mußte an die vierzig Jahre zwischen Leopardis Gedichten gelegen haben.
    Lieber Speca, las ich, wir sind recht stolz auf unseren jungen Mann. Er hat wieder zwei Kilo zugenommen und entwickelt einen haarsträubenden Appetit. Außerdem dürfte er ein besonders hübscher Bursche werden! Meine Frau und ich können Ihnen nie genug für die große Güte, das Verständnis und die Freundschaft danken, die Sie uns in jenen schweren Tagen, die nun glücklicherweise hinter uns liegen, bewiesen haben. Wir blicken beide voller Vertrauen in die Zukunft. Bitte schauen Sie bei uns herein und sehen Sie sich den Jungen einmal an, wenn Ihre Zeit es erlaubt. In aufrichtiger Freundschaft Aldo Donati
    PS. Marta ist, wie sich herausstellt, nicht nur eine aufopfernde Kinderschwester, sondern auch eine vorzügliche Köchin. Sie läßt ergebenst grüßen.
    Ich las den Brief dreimal, dann steckte ich ihn in die Tasche. Die Handschrift mochte verblasst sein. Die Botschaft war für mich so neu, als sei sie gestern zu Papier gebracht worden. Ich hörte förmlich die Stimme meines Vaters, klar, energisch, voller Stolz auf seinen kleinen Sohn, der nach gefährlicher Krankheit nun wieder ganz gesund geworden war. Endlich glaubte ich zu verstehen, was es mit der Eintragung im Taufregister auf sich hatte. Luigi Speca war zweifellos der Arzt, der Aldo behandelt hatte, ein Vorgänger unseres Doktor Mauri. Selbst das Postskriptum, das Marta betraf, war irgendwie eindrucksvoll. Sie war um jene Zeit in den Dienst meiner Eltern getreten, und sie war ihnen treu geblieben bis zum Ende. Bis zum Ende? Das Ende hatte ich heute morgen in San Cipriano erlebt – »Requiem aeternam dona eis Domine.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Giuseppe Fossi trat in Erscheinung, gefolgt von Toni, der überaus verdrossen aussah. Mein Vorgesetzter schien indessen seinen Verfolgungswahn überwunden zu haben. Er wirkte wieder völlig selbstsicher und rieb sich frischfröhlich die Hände.
    »Alles in Ordnung? Alles sortiert?« erkundigte er sich. »Was sollen die Kisten dort drüben? Ach, ich sehe schon, alle ausgepackt. Sehr gut! Ich hoffe und glaube, daß ich im Katalog keine Fehler entdecken werde. Normalerweise mache ich diese Dinge lieber selbst.«
    Diese Bemerkung sollte mich zerschmettern, machte mir aber nicht den geringsten Eindruck. Ich setzte ihm auseinander, daß wir drei Stunden gebraucht hatten, um die Unordnung, die durch die morgendliche Packerei entstanden war, wieder auszubügeln.
    »Nun gut«, sagte er, »mittlerweile sieht es so aus, als hätten wir die Dinge unnötigerweise überstürzt. Immerhin aber hat mich Professor Rizzio persönlich zu meiner Vorsorge beglückwünscht. Er stimmte ganz und gar mit mir darin überein, daß man in so schwierigen Augenblicken wie diesen gar nicht vorsichtig genug sein kann. Im

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