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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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übrigen«, er blickte sich ängstlich um und senkte die Stimme, »freue ich mich, Ihnen sagen zu können, daß die Berichte über Professor Elia nicht der Wahrheit entsprechen. Er hat an der Sitzung teilgenommen. Zwar wirkte er niedergeschlagen, aber das war unter den gegebenen Umständen nur natürlich. Abgesehen davon war er – gesund.«
    Damit räusperte er sich, straffte die Schultern und eilte an den Schreibtisch, an dem ich bisher gearbeitet hatte.
    »Für heute nacht braucht jedenfalls niemand etwas zu befürchten«, verkündete er so laut, daß ihn alle hören konnten. »Der Universitätsrat hat über die Studenten aller Fakultäten ab neun Uhr ein Ausgehverbot verhängt. Jeder Student, der sich nach diesem Termin auf der Straße blicken läßt, wird registriert und exmatrikuliert werden. Das gilt auch für Angestellte der Universität, die in Privatquartieren wohnen. Man wird sie allerdings nicht exmatrikulieren, aber dafür kündigen!« Giuseppe Fossi blickte Toni, die übrigen Angestellten und mich scharf an.
    »Wer in wichtigen dienstlichen Angelegenheiten unterwegs sein muß, kann auf Antrag einen Sonderausweis vom Sekretariat bekommen«, fügte er hinzu. »Aber die Behörde wird schnell dahinter kommen, wenn mit dieser Möglichkeit Missbrauch getrieben wird. Im übrigen wird es niemandem schaden, wenn er einmal einen Abend in seinen vier Wänden verbringt. Morgen werden die Bestimmungen natürlich gemildert, mit Rücksicht auf diejenigen Studenten, die ihre bestandenen Examina feiern wollen. Die Angehörigen strömen bereits in Scharen in die Stadt.«
    Jetzt wußte ich, warum Toni so verdrossen war. Heute abend – kein Rendezvous mit seiner Freundin auf der Piazza Matrice und keine Vesparundfahrt über die Via delle Mura.
    »Und was ist mit Kino?« fragte Toni mißmutig.
    »Selbstverständlich können Sie ins Kino gehen«, erwiderte Giuseppe Fossi, »vorausgesetzt, daß Sie um neun Uhr wieder zu Hause sind.«
    Toni zuckte die Achseln und bemächtigte sich unter leisem Murren einer der leeren Kisten, um sie zurück in den Wagen zu schleppen. Sollte ich meinem Vorgesetzten etwas von Aldos Einladung in den Palazzo Ducale sagen? Ich wartete, bis die anderen außer Hörweite waren, bevor ich mich ihm näherte.
    »Professor Donati hat die Liebenswürdigkeit gehabt, mir einen Paß für heute abend zu geben«, sagte ich. »Im Palazzo findet eine Besprechung wegen des Festivals statt.«
    Er blickte mich überrascht an. »Das fällt in den Verantwortungsbereich Professor Donatis«, sagte er, »als Direktor des Kunstrats werden ihm die Bestimmungen bekannt sein. Wenn er es für richtig hält, an relativ fremde Leute Einladungen zu verteilen, ist das seine Sache.«
    Damit kehrte er mir den Rücken, offenbar verärgert über die vermeintliche Ehre, die mir zuteil geworden war. Ich fühlte nach der Plakette, die mein Bruder mir gegeben hatte. Sie steckte wohlverwahrt in meiner Tasche, neben dem vierzig Jahre alten Brief, den mein Vater an Luigi Speca geschrieben hatte. Ich konnte es gar nicht erwarten, Aldo den Brief zu zeigen.
    Inzwischen aber wurde es Zeit, mir im Sekretariat meine Ausgeherlaubnis zu besorgen, wenn ich bei der Probe mitmachen wollte. Meinem Bruder würde es gleichgültig sein, ob ich kam oder nicht. Aber meine Neugier war beträchtlich. Außerdem war der Palazzo Ducale bestimmt der letzte Ort, wo man einen vermissten Reiseleiter suchen würde.
    Wir machten in der neuen Bücherei um sieben Uhr Schluß. Giuseppe Fossi hatte inzwischen im Palazzo Ordnung geschaffen. Ich fragte ihn, als wir kamen, nicht ohne einen Unterton von Bosheit in der Stimme, ob er vorhabe, zu Hause zu essen und zu nächtigen.
    »Ich habe mich bei Freunden angemeldet«, erwiderte er kurz. »Da meine Frau nicht da ist, paßt mir das besser so.« Ich sah zu, wie er in seinen kleinen Wagen stieg und davonfuhr. Ob ich den Wagen wohl später neben dem Fiat vor dem Haus Nummer 5, Via San Michele, wieder sehen würde? Wenn ja, dürfte Fossi kaum die Ruhe finden, deren er so dringend bedurfte. Die ›Gottesanbeterin‹ hatte zu lange gefastet …
    Ich ging zur Universität hinüber. Das Sekretariat war bereits von Studenten belagert, die alle eine Ausgeherlaubnis beantragen wollten. Die meisten waren von besorgten Verwandten begleitet, mit denen sie zum Abendessen verabredet waren. Solche Pläne drohten nunmehr ins Wasser zu fallen. Ohne Pässe kein Vorfeiern der Diplome und Titel, die morgen zugeteilt werden sollten. Die

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