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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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für eine Frau es wohl gewesen war, die den Präsidenten der Universität in seinem Krankenbett in Rom aus Eifersucht mit anonymen Telefonanrufen behelligt hatte. Irgendeine verlassene Geliebte meines Bruders zweifellos oder eine Frau, die eine entsprechende Stellung gern erobert hätte und gescheitert war. Wie immer – die Betreffende mußte erraten haben, daß zwischen Aldo und Signora Butali eine Beziehung bestand.
    Die Anrufe mochten aufgehört haben, aber Aldo mußte gewarnt werden, bevor er selbst mit dem Präsidenten sprach. Ich konnte versuchen, Jacopo zu erreichen, und ihn bitten, Aldo zu bestellen, daß er mich hier, in Carla Raspas Wohnung, anrufen möchte.
    Ich blätterte im Telefonbuch und fand auch die Nummer. Aber es kam keine Antwort. Entweder war Jacopo weggegangen, oder er befand sich in seiner eigenen Klause. Ich legte den Hörer auf und ging wieder ans Fenster. Die Feier in der Aula mußte vorüber sein. Eine Gruppe von Studenten kam lärmend und pfeifend die Straße hinunter. Sie spielten Maskerade mit ihren bunten Hüten, die sie für die Gelegenheit aufgesetzt hatten. Einer trug einen Kollektenbeutel an einem Stock vor sich her und stieß ihn den Passanten provozierend vors Gesicht.
    »Eine milde Gabe; für den Fonds unbemittelter Studenten«, schrie er. »Jedes Scherflein ist willkommen, und sei es noch so klein, jeder Pfennig hilft einem armen Studiker, seine Ausbildung abzuschließen. Danke sehr, Signore, danke sehr. Signorina!«
    Ein Mann warf achselzuckend eine Münze in den Beutel. Ein Mädchen, das mit lautem Gejohle und Gepfeife bedacht wurde, tat das gleiche und flüchtete sich lachend.
    Dann schwärmten die Studenten fächerartig über die Straße aus, um beide Gehsteige erfassen zu können. Ein Wagen, der ihnen hügelabwärts entgegenkam, wurde gestoppt, der Kollektenbeutel durchs Fenster gesteckt. Der Student dankte unter Verbeugungen und schwenkte seinen altfränkischen Hut: »Danke, Signore! Gott schenke Ihnen ein langes Leben, Signore!«
    Immer noch singend marschierten sie die Via San Michele hinunter und bogen dann in Richtung auf die Piazza Matrice ab.
    Vom Campanile schlug es zwölf, und noch ehe der letzte Ton verklungen war, kam schon das Echo von San Cipriano. Die Mittagsstunde läutete aus jedem Viertel von Ruffano, und ich mußte daran denken, daß in früheren Zeiten ein Verfolgter wie ich am Hochaltar einer Kirche Zuflucht suchen konnte. Ich fragte mich, was wohl geschehen würde, wenn ich heute dasselbe täte. Ob ich in ähnlicher Weise Schutz fände oder ob der Sakristan von San Cipriano, gleich um die Ecke, mich wie ein Gespenst anstarren und spornstreichs zur Polizei rennen und alles ausplappern würde.
    Dann hörte ich Schritte die Treppe heraufkommen. Die Tür ging auf. Carla Raspa! Wie vom Donner gerührt stand sie da und sah mich an.
    »Ich überlegte gerade«, erklärte ich wahrheitsgemäß, »ob ich hier in Ihrer Wohnung bleiben oder lieber in einer Kirche Zuflucht suchen sollte.«
    »Das hängt von dem Verbrechen ab, das Sie auf dem Kerbholz haben«, sagte sie und schloß die Tür hinter sich, »zu allererst sollten Sie beichten.«
    Sie legte ihre Tasche und ein Bücherpaket auf den Tisch und musterte mich dann von Kopf bis Fuß.
    »Sie kommen zu unserem Rendezvous ungefähr 36 Stunden zu spät«, sagte sie. »Es macht mir nichts aus, eine Stunde zu warten oder auch zwei, aber wenn es darüber hinaus geht, ziehe ich es vor, mich nach Ersatz umzutun.«
    Sie kramte in ihrer Tasche nach Zigaretten und steckte sich eine an. Dann ging sie in die Küche und kam bald darauf mit einem Tablett zurück, auf dem eine Flasche Cinzano und zwei Gläser standen.
    »Ich vermute, Sie haben sich gedrückt, weil Sie Angst vor dem Ausgang der Sache hatten. Das ist schon größeren und stärkeren Burschen als Ihnen passiert. Aber normalerweise bin ich immer damit fertig geworden. Es gibt schließlich Mittel und Wege.«
    Sie goß uns Cinzano ein.
    »Nur Mut«, sagte sie, »man weiß nie, wie gut etwas ist, bevor man es probiert hat.« Damit hob sie ihr Glas und lächelte. Wahrhaftig, eine großmütigere Frau war mir nie in meinem Leben vorgekommen.
    Ich nahm das andere Glas, und während ich meinen Cinzano trank, kam ich zu einem Entschluß.
    »Ich bin nicht hier, um mich für Dienstag abend zu entschuldigen oder um meinen beschädigten guten Ruf wiederherzustellen. Ich sitze in Ihrer Wohnung, weil ich glaube, daß die Polizei hinter mir her ist.«
    »Die Polizei?« wiederholte

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