Das Geheimnis des Falken
Sache aus dem Kopf! Und sprechen Sie zu niemandem darüber, vor allem nicht zu meiner Frau! Diese Anrufe waren genauso unangenehm, wie es anonyme Briefe sind. Aber inzwischen haben sie endlich aufgehört, seit mehr als einer Woche.«
In diesem Augenblick schrillte alarmierend die Türklingel.
»Das wird der Polizeikommissar sein oder der Arzt«, sagte Butali. »Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen entschuldigen, Signor Fabbio.«
»Ich bitte Sie, Herr Professor«, murmelte ich. Damit verbeugte ich mich und wandte mich zur Tür. Ich hörte, wie das Mädchen öffnen ging.
Ich trat hinaus in die Halle und drückte mich, als die Haustür aufging, in eine Ecke. Beim Anblick des Kommissars zog ich mich noch weiter in Richtung auf die Küche zurück.
Signora Butali verstellte dem Kommissar die Sicht auf mich, während sie ihn begrüßte und ins Studio führte. Dann kam sie zurück, um mir auf Wiedersehen zu sagen. Das Mädchen, das die Tür aufgemacht hatte, befand sich noch in Hörweite, so konnte ich die Signora von dem Gespräch, das zwischen ihrem Mann und mir stattgefunden hatte, nicht verständigen.
»Ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder«, sagte sie, indem sie in den förmlichen Tonfall der Gastgeberin verfiel, die den aufbrechenden Besucher möglichst schnell los sein möchte.
»Das hoffe ich auch, Signora«, erwiderte ich.
Ich ging über den gepflasterten Gartenpfad in die Via del Sogni hinaus, wo der Wagen des Kommissars wartete. Ein Polizeibeamter in Uniform saß am Steuer. Ich wandte mich nach links, damit ich nicht an ihm vorbei mußte, und eilte den Hügel hinunter.
Es war mir egal, wohin ich lief, solange ich nur einige Entfernung zwischen mich und den Polizeiwagen brachte. Schließlich gelangte ich auf die Piazza Matrice und beschloß, erst einmal in die Pension zurückzukehren. Dort wollte ich eine Weile bleiben, ehe ich zu meinem Bruder ging.
Die Nachricht vom Tode Marellis hatte mir einen fürchterlichen Schock versetzt. Zugleich war ich ganz verstört über die anonymen Telefonanrufe, von denen der Präsident gesprochen hatte.
Als ich mich der Pension Silvana näherte, sah ich einen Mann vor der Tür stehen und mit der Signora sprechen. Ich erkannte ihn augenblicklich. Die Figur, der kahle Kopf, das Profil waren mir nur zu gut in Erinnerung. Es war der Polizeiagent aus Rom, der Beamte in Zivil, den ich am Dienstag in der Kirche gesehen hatte.
Ich stand gerade vor dem Haus Nummer 5 und verzog mich instinktiv in den Flur. Dann kletterte ich zum ersten Stock hinauf und klopfte bei Carla Raspa. Als niemand antwortete, drückte ich die Klinke hinab. Die Tür war offen.
18. Kapitel
Ich dachte, die Wohnung sei leer, aber das Geräusch, mit dem sich die Tür schloß, störte jemanden im Badezimmer auf. Eine Frau mit Schürze und einem Scheuertuch in der Hand kam zum Vorschein. Sie musterte mich mißtrauisch.
»Was wünschen Sie?« fragte sie.
»Ich bin mit Signorina Raspa verabredet«, log ich. »Sie sagte mir, daß sie sich – wegen der Ansprachen in der Universität – vielleicht verspäten würde und daß ich hier auf sie warten möchte. Wir wollten dann zusammen essen gehen.«
»Na schön«, sagte die Frau, »das Zimmer ist ja in Ordnung. Aber ich bin mit Küche und Bad noch nicht fertig. Machen Sie es sich bequem.«
Sie ging ins Badezimmer zurück, und ich hörte Wasser laufen, während ich mich ans Fenster stellte und zu Nummer 24 hinüberspähte. Der Mann stand immer noch da.
Signora Silvana bestritt in wachsender Mitteilsamkeit den Hauptteil der Unterhaltung. Ich sah sie gestikulieren. Offenbar sprach sie über mich und erzählte dem Agenten, daß ich jeden Tag in der Bibliothek arbeitete, daß ich im Augenblick wahrscheinlich dort zu finden und daß ich seit genau einer Woche als Pensionsgast in ihrem Hause und überdies mit Bestimmtheit fremd in Ruffano sei.
Wenn sich der Mann als das zu erkennen gegeben hatte, was er war, würde er bestimmt mein Zimmer zu sehen verlangen und die Schubladen aufziehen, die Schränke durchsuchen und meinen Koffer. Etwas für ihn Brauchbares würde er freilich nicht finden. Ich trug meine Papiere bei mir.
Bis jetzt hatte Signora Silvana noch keine Anstalten gemacht, den Mann hereinzubitten. Sie redeten immer noch.
Als die Reinmachefrau aus dem Bad ins Zimmer zurückkam, zog ich mich vom Fenster zurück.
»Möchten Sie einen Kaffee?« fragte sie.
»Bitte machen Sie sich keine Mühe!« erwiderte ich.
»Von Mühe ist gar keine Rede«,
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