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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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war so gekleidet, wie ich ihn Mittwoch abend gesehen hatte, in Kniehosen und Wams, mit einem knappen Cape, das ihm von der Schulter fiel, und er sah herrlich aus. Er paßte genau so in die Szenerie wie die Pferde, die soeben an der Statue des Herzogs Carlo vorübertänzelten.
    »Im Taufregister in San Cipriano«, sagte ich, »gibt es zwei Eintragungen. Eine bezieht sich auf einen Sohn, der gestorben ist. Die zweite betrifft dich. Als ich die doppelte Eintragung vor einer Woche zum ersten Mal sah, begriff ich nicht, was sie bedeutete. Ich begriff auch nicht, was der Name deines Paten Luigi Speca besagte und nicht einmal den Sinn des Briefes, den ich dir Mittwoch abend gab. Erst gestern am Strand von Fano dämmerte mir die Wahrheit. Dort begegnete ich einer Nonne mit einer kleinen Gruppe von Waisenkindern. Von ihr erfuhr ich, daß der Leiter des Waisenhauses von Ruffano damals, vor etwa vierzig Jahren, Luigi Speca hieß.«
    Aldo starrte mich an. Er lächelte nicht. Dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz um und ließ mich stehen. Er ging zu den Pferden hinüber und begann, den Burschen Befehle zu erteilen. Ich sah zu und wartete.
    Die langwierige Prozedur des Anschirrens begann. Jedem Pferd wurde ein prachtvolles Zaumzeug, rot mit goldenen Scharnieren, angelegt. Die Zügel, die die Tiere bis dahin getragen hatten, wurden gegen andere vertauscht, prunkvoll wie die Kummete, und auf dem Stirnbehang war ein Medaillon mit dem Falkenkopf angebracht. Zweien der Pferde wurden dicht hinter den Kummeten zwei kleine Sättel aufgelegt und mit breiten scharlachroten Bändern über der Brust befestigt. Dann wurde die Deichsel des Wagens durch goldene Ketten mit den Sätteln verbunden. Diese beiden Pferde bildeten das mittlere Gespann, das rechts und links neben dem Wagen lief. Dann sah ich, daß einem jeden vier weitere Pferde zugeordnet wurden, so daß insgesamt zehn an den Wagen geschirrt waren. In einiger Entfernung von den Transportarbeitern und ihren Gefährten wurden die übrigen acht Pferde in zwei Viererreihen so angespannt, daß ihre Zügel vorn am Wagen zusammenliefen. Der Wagen selbst, federleicht auf seinen Gummirädern, war mit einer halbkreisförmigen Brüstung versehen und einer Plattform für den stehenden Fahrer.
    Auf der Plattform hatten zwei Leute Platz, nicht mehr. Nach hinten zu war das Gefährt offen, ohne Geländer und Stufe. Vorn und seitlich waren Gurte angebracht, die den Sicherheitsgürteln in Flugzeugen ähnelten und die Wagenlenker an die Brüstung fesselten. Waren sie einmal angebunden und in voller Fahrt, konnten sie nicht fallen, außer wenn sich der Wagen überschlug, wenn die galoppierenden Pferde Gefährt und Fahrer mit sich und in den Tod rissen.
    Nachdem die Pferde angeschirrt und der Wagen auf seinen Platz gebracht worden war, hörte alles Hin und Her mit einem Schlage auf. Schweigend standen die Pferdeknechte neben den Gespannen. Die Polizisten, die den Platz abriegelten, schauten aus großen Augen, und auch die Menge, die sich hinter dem Cordon aufgestaut hatte, verhielt sich merkwürdig still.
    Dann kam Aldo auf mich zu. Sein Gesicht war blaß und undurchdringlich, so wie am Mittwochabend.
    »Ich habe dich nach Fano geschickt, weil ich glaubte, daß das für uns beide das beste sei«, sagte er. »Aber da du nun einmal hier bist, kannst du schließlich auch deine Rolle spielen. Die Rolle des Falken. Sie steht dir nach wie vor zur Verfügung. Das heißt, wenn du den Mut hast, sie zu übernehmen.«
    Der Klang seiner Stimme versetzte mich zurück in meine Kindertage. Er forderte mich mit der gleichen verächtlichen Anmut in die Schranken wie ehedem, setzte genauso stillschweigend wie einst meine Minderwertigkeit voraus. Nur traf mich der spöttische Unterton seltsamerweise nicht mehr.
    »Hättest du die Rolle des Falken gespielt, wenn ich mit Marco gegangen wäre?« fragte ich.
    »Ich hatte die Absicht, allein zu fahren«, sagte er. »Vor fünfhundert Jahren gab es keine Reiseleiter. Der Falke war sein eigener Kutscher.«
    »In Ordnung«, sagte ich, »dann kannst du heute mein Kutscher sein.«
    Meine Replik, die mich selbst ebenso sehr überraschte wie ihn, machte ihn für einen Augenblick wehrlos. Er mußte erwartet haben, daß ich mich genau wie als Junge beglückt zeigen würde, an seinen Abenteuern teilhaben zu dürfen. Dann aber lächelte er. »Du findest das Gewand des Falken und die Flachsperücke im Ferrari«, sagte er. »Jacopo ist ebenfalls da. Er wird dir die Sachen geben.«
    Ich

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