Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
Vom Netzwerk:
wir uns danach sehnten, in irgendeinem unvergänglichen Paradies endlos weiterzuexistieren, da man das Vermächtnis doch vor Augen hatte, das der Mensch in diesem irdischen Leben schuf. Der Mensch war Prometheus, gefesselt an den symbolischen Fels, an die Erde und an all die anderen, die unentdeckten Sterne, die das Dunkel Lügen straften.
    Es galt, das Wagnis auf sich zu nehmen und der Vergänglichkeit die Stirn zu bieten.
    Ich blieb stehen und schaute zu, wie die Sonne Wärme und Leben in meine Stadt Ruffano brachte. Ich dachte an Aldo, aber auch an all jene Studenten, die jetzt noch schliefen und in ein paar Stunden in den Straßen kämpfen würden. Dieses Festival war weder Spiel noch Schaugepränge noch verspielte Beschwörung einstigen Glanzes, sondern ein Aufruf zur Zerstörung. Ich konnte es so wenig verhindern, wie ein Einzelner einen Krieg verhindern kann. Selbst wenn noch im letzten Augenblick ein verspäteter Befehl ergehen sollte, das Festival abzusagen, würden sich die Studenten nicht mehr darum kümmern. Sie wollten kämpfen, sie wollten töten. Genau wie es ihre Vorfahren Jahrhunderte hindurch in den gleichen blutgetränkten Straßen getan hatten, durch die die Vergangenheit spukte. Und diesmal würde es mir bestimmt nicht gelingen zu flüchten. Ich würde unter ihnen und einer von ihnen sein.
    Es ging auf sieben Uhr, als ich die Pferde hörte. Das stete, gedämpfte Hufgeräusch tönte von der Piazza Carlo, hinter mir, herüber. Ich drehte mich um und ging zur Statue hinüber, und dann sah ich die Spitzenpferde den Hügel erklimmen. Die Pferde kamen paarweise im Gespann. Jeder Reiter führte am Handzügel ein zweites Pferd. Sie kamen von Nordwesten über die lange Zufahrtsstraße, die aus dem Tal nach Ruffano heraufführte.
    Mir fiel ein, daß ich am letzten Abend, als wir auf unseren Vespas um die Stadt herumfuhren, rechts im Sportstadion Lichter gesehen hatte, was mir in der Aufregung der Fahrt bald wieder aus dem Sinn gekommen war. Die Pferde und die Reitknechte mußten sich dort vor Sonnenuntergang gelagert haben und sammelten sich jetzt offenbar für ihren Auftritt auf der Piazza Carlo. Dies war der Festzug, von dem Aldo Mittwoch abend im Palazzo Ducale gesprochen hatte.
    Die Reiter saßen ab und führten ihre Tiere in den Schatten der Bäume.
    Die Sonne begann die Feuchtigkeit aus der Erde zu saugen; aus dem nassen Gras rund um die Statue des Herzogs Carlo stieg es wie Dampf und erfüllte die Luft mit einem Geruch, der ähnlich wie Heuduft war.
    Ich zählte die Pferde. Es waren achtzehn, gestriegelt und wunderschön mit ihren stolzen Köpfen, die sie, um sich schauend, neugierig emporreckten. Keines der Tiere trug einen Sattel. Ihre Flanken glänzten, als seien sie poliert, und die Schwänze, mit denen sie nach den ersten, frühen Fliegen schlugen, sahen Federbüschen gleich.
    Ich trat näher und sprach einen der Männer an.
    »Woher kommen Sie?« fragte ich.
    »Aus Senigallia«, erwiderte er, »aus den Rennställen.«
    Ich starrte ihn ungläubig an. »Sind dies etwa Rennpferde?« fragte ich.
    »Ja«, antwortete er lächelnd. »Stück um Stück. Man hat sie für das Festival ausgeliehen und den Winter über einzeln trainiert für das Schauspiel heute. Natürlich nicht auf der Rennbahn, sondern draußen in den Hügeln.«
    »Wofür trainiert?« fragte ich.
    Diesmal war er es, der mich staunend ansah. »Für das Rennen heute Vormittag, wofür denn sonst!« sagte er. »Haben Sie denn nicht gehört, was sich hier in Ihrer Stadt tun wird?«
    »Nein«, sagte ich, »nein. Ich habe nur gehört, daß um zehn Uhr ein Festzug zum Palazzo Ducale aufbricht.«
    »Ein Festzug?« wiederholte er, »nun ja, so kann man es auch nennen, aber das ist ein unzulänglicher Ausdruck für das, was Sie geboten bekommen werden.«
    Er lachte und rief einem seiner Gefährten belustigt zu: »Hier ist ein Student, der wissen möchte, was passiert. Bring's ihm schonend bei!«
    »Halten Sie sich im Hintergrund«, sagte der andere, »das ist alles, was ich Ihnen raten kann. Die Pferde sind versichert, etwas anderes interessiert die Besitzer nicht. Das Experiment, hat man uns gesagt«, fügte er hinzu, »ist bisher nur einmal durchgeführt worden, vor fünfhundert Jahren oder so. Bei euch in Ruffano scheint man Verrückte zu züchten. Aber wenn der Betreffende sich das Genick bricht, ist das seine Sache und nicht die unsere. Hier, sehen Sie sich das an!«
    Ein Lastwagen war an der einen Seite der Piazza aufgefahren. Der Beifahrer

Weitere Kostenlose Bücher