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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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zuckte die Schultern. Das Spiel der Rivalitäten ließ mich immer noch kalt.
    »Du kannst den Grenzgänger spielen«, sagte er.
    Ich starrte in mein Glas und überdachte seine Bemerkung. Er hatte in der Vergangenheit ähnliche Aufträge für mich gehabt, als er das Gymnasium von Ruffano besuchte. Ich hatte sie nicht immer erfolgreich gelöst. Botschaften, die in die Taschen von Mitschülern zu schmuggeln waren und mitunter in falsche Hände gerieten. Die Rolle, die ich dabei spielte, hatte ihre Nachteile.
    »Das sehe ich noch nicht«, sagte ich.
    »Aber ich«, erwiderte Aldo.
    Jacopo kam herein, um das Essen aufzutischen. Ich sagte »Hallo«, und er setzte das Tablett ab und stand stumm wie eine Ordonnanz.
    »Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie gestern nicht erkannt habe. Signor Armino«, sagte er. »Ich freue mich sehr, Sie wieder zu sehen.«
    »Werde nicht feierlich«, sagte mein Bruder, »Beo ist nur 1,55 groß. Immer noch klein genug, um übers Knie gelegt zu werden.«
    Was Jacopo, von Aldo aufgestachelt, 1943 getan hatte. Mir war das ganz entfallen. Marta hatte protestiert und die Küchentür zugeknallt. Marta …
    Jacopo servierte unser Mahl und stellte eine große Flasche Landwein auf den Tisch. Später fragte ich meinen Bruder, ob Jacopo den Haushalt allein besorgte.
    »Er führt die Oberaufsicht«, sagte Aldo. »Zum Saubermachen kommt eine Frau. Ich habe Marta behalten, bis sie anfing zu trinken und es hoffnungslos mit ihr wurde. Ich mußte sie wegschicken.«
    Jetzt war der Augenblick gekommen. Ich war fertig mit Essen. Aldo war noch eifrig dabei.
    »Ich muß dir etwas sagen«, begann ich, »besser, ich erzähle es dir gleich, weil ich in die Sache verwickelt bin. Ich glaube, Marta ist tot. Ich glaube, sie ist ermordet worden.«
    Er legte seine Gabel hin und starrte mich über den Tisch hinweg entgeistert an.
    »Was zum Teufel soll das heißen?« fragte er grob. Sein anklagender Blick blieb auf mein Gesicht gerichtet. Ich schob meinen Stuhl zurück und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Ich denke immer noch, daß ich mich geirrt haben könnte«, sagte ich. »aber ich halte es für unwahrscheinlich. Ich fürchte, es ist wahr. Und wenn es wahr ist, habe ich allein die Schuld, weil ich etwas getan habt! . .«
    Dann erzählte ich ihm die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende. Von den englischen Touristinnen, dem einsamen Amerikaner und seinem Zehntausend-Lire-Trinkgeld, von dem Alptraum in den frühen Morgenstunden und von der Beziehung meines Traumes zu dem Altarbild in San Cipriano. Ich erzählte von der Zeitungsmeldung vom folgenden Tag, dem Gang zur Polizei, daß ich die Leiche bis zu einem gewissen Grade identifiziert hatte und dann in einem plötzlichen Impuls nach Ruffano aufgebrochen war. Schließlich berichtet!! ich auch noch von Ghigi, dem Schuster, und dessen Schwester Maria und daß ich dabei gewesen war, als man sie gestern in polizeilichen Gewahrsam genommen hatte.
    Aldo hörte zu, ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen. Ich schaute ihn nicht an, während ich erzählte. Ich lief immer nur im Zimmer hin und her und redete viel zu schnell. Ich hörte, wie ich zu stottern begann, so wie ich vielleicht vor dem Richter stottern würde, und korrigierte mich immer wieder in völlig belanglosen Details.
    Als ich fertig war, setzte ich mich wieder hin. Ich bildete mir ein, daß sein anklagender Blick immer noch auf mir ruhte. Aber er schälte in aller Seelenruhe eine Orange.
    »Siehst du«, sagte ich, »begreifst du nun?«
    Er steckte ein großes Stück Orange in den Mund.
    »Ja«, sagte er, »ich verstehe, und es ist sehr einfach nachzuprüfen. Ich stehe mit der hiesigen Polizei auf ziemlich gutem Fuß. Ich brauche nur den Telefonhörer abzunehmen und anzufragen, ob es sich bei der Toten um Marta handelt.«
    »Und wenn es so ist?«
    »Dann ist es halt schlimm«, sagte er und langte nach einem weiteren Stück Orange, »aber sie wäre ohnehin gestorben – in dem Zustand! Die Ghigis konnten nichts mit ihr anfangen. Niemand konnte das. Frag Jacopo. Sie war eine Trinkerin.«
    Er hatte nichts begriffen. Er hatte nicht begriffen, daß, wenn es Marta war, die man ermordet hatte, dieser Mord nur geschehen konnte, weil ich ihr zehntausend Lire; zugesteckt hatte. Ich setzte ihm das noch einmal auseinander. Er aß indessen seine Orange auf und spülte sich die Finger in der Fingerschale neben dem Teller.
    »Na und?« fragte er.
    »Hätte ich das der Polizei denn nicht mitteilen müssen? Wäre damit

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