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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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du dich nicht um sie gekümmert?«
    Die leidenschaftliche Heftigkeit seiner Antwort verblüffte mich.
    »Ich habe sie ernährt, gekleidet, verwöhnt umsorgt, und sie verlor den letzten inneren Halt«, sagte er. »Warum? Frag mich nicht! Ein Rückfall vielleicht, ein Rückfall in den Lebensstil ihrer versoffenen bäuerlichen Vorfahren. Wenn Menschen zum Selbstmord tendieren, kann niemand sie hindern.«
    Wieder schrie er nach Jacopo. Jacopo erschien und nahm das Kaffeetablett fort. »Ich bin für niemanden zu Hause«, sagte Aldo. »Beo und ich müssen zwanzig Jahre nachholen. Es wird ein paar Stunden dauern, bis wir damit fertig sind.«
    Er sah mich an. Dann lächelte er. Das Zimmer, längst vertraut und mir zugehörig um der Dinge willen, die es barg, umschloß mich. Die Verantwortung für diese Welt und alle ihre Sünden lag nicht mehr bei mir. Aldo würde alles auf sich nehmen. Was gab es da eigentlich noch für mich zu tun?

11. Kapitel
    Wir saßen und redeten und ließen den Tag verstreichen. Ab und zu kam Jacopo mit frisch gebrühtem Kaffee und ging schweigend wieder hinaus. Allmählich füllte sich der Raum mit dem Qualm meiner Zigaretten, meiner, wohlgemerkt. Aldo hatte das Rauchen, sagte er, seit langem aufgegeben.
    Ich brachte nach und nach, auf Geratewohl meine Fragen abfeuernd, die Geschichte seiner Nachkriegsjahre aus ihm heraus. Wie er den Alliierten entkam und sich dann, nach der Kapitulation Italiens, in den Hügeln am Resistenzkampf gegen die Deutschen beteiligte. Damals wußte er immer noch nichts von dem fatalen Telegramm, das uns seinen Tod angezeigt hatte. Er war der Meinung, wir glaubten ihn in Kriegsgefangenschaft.
    Erst Monate später, als er – kurz nach unserer Flucht mit dem Kommandanten – nach Ruffano zurückkam, hörte er von Marta, wie alles gewesen war. Umgekehrt wurde dann den beiden berichtet, unser Konvoi sei, auf dem Weg zur österreichischen Grenze, bombardiert worden und meine Mutter und ich hätten den Tod gefunden.
    So waren wir uns, auf getrennten Wegen wandernd, aus den Augen gekommen. Er, ein junger Mann von zwanzig, und ich, ein Kind von zwölf, mußten uns in eine neue Existenz hineinfinden. Die meine vergaß man am besten. Seine war der Notierung wert. Die meine bestand darin. Woche um Woche eine Frau zu ignorieren, die den Boden unter den Füßen verloren hatte, die täglich an Format einbüßte, immer urteilsloser wurde, die verblühte und verkam. Er hingegen sah damals immer noch die Frau in ihr, die nach seinem letzten Urlaub von ihm Abschied genommen hatte, warmherzig, liebevoll, pläneschmiedend für künftige Begegnungen. Unddann dies Bild zusammenbrechen sehen, als nicht nur Marta, als alle, die er in Ruffano kannte, ihm sagten, was aus ihr geworden war! Der Klatsch, der Skandal, die Schande. Der eine oder andere hatte sie sogar abfahren sehen, lachend, an der Seite des Kommandanten, während ich mit einer Hakenkreuzfahne aus dem Wagenfenster winkte.
    »Das war der letzte Schlag«, sagte Aldo, »du mit deiner Fahne.«
    Ich sah die Szene noch einmal vor mir, aber gleichsam durch seine Augen hindurch. Ihre Schande wurde meine Schande. Ich litt für sie. Ich versuchte zu erklären. Er aber wies jede Erklärung zurück.
    »Es hat keinen Sinn, Beo«, sagte er. »ich will es nicht wissen. Was immer sie in Frankfurt oder Turin oder für diesen Fabbio, den du deinen Stiefvater nennst, getan haben mag, zählt für mich nicht und auch nicht, ob sie Schmerzen litt, ob sie krank war oder unglücklich. Sie ist für mich an dem Tag gestorben, an dem sie Ruffano verließ.«
    Ich fragte ihn, ob er das Grab unseres Vaters besucht habe. Ja, er sei auf dem Friedhof gewesen, wo Vater begraben lag. Aber nur einmal und dann nie wieder. Aber auch darüber wollte er nicht reden.
    »Er ist dort an der Wand«, sagte Aldo und wies auf das Bild. »Das ist alles, was ich von ihm wollte, sein Bild und die Sachen, die hier im Zimmer stehen, und das Verfügungsrecht über das, was er im Palazzo Ducale geschaffen hatte. Ich setzte alles daran, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte und – das war mein Ehrgeiz – mit mehr Autorität, als ihm je beschieden gewesen war.«
    Aus seinen Worten sprach eine seltsame Bitterkeit, als quälte ihn – trotz des hohen Ansehens, das er in Ruffano genoß, trotz des schnellen Aufstiegs zu seiner gegenwärtigen Stellung – das Gefühl, die Jahre vergeudet zu haben. Irgend etwas fehlte ihm noch. Irgend etwas, das weder mit seinem persönlichen

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