Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
einem Ehepaar unterhalten.« Sie versuchte sich an jede Einzelheit zu erinnern.
»Kurze Zeit später ist mein Begleiter losgegangen, um einen Angestellten nach der Pflanze zu fragen, die wir suchten. Ich beobachtete ihn, während er fortging, und plötzlich begann er sich vor meinen Augen in Luft aufzulösen. Ich kann es kaum beschreiben: Im einen Augenblick war er deutlich zu sehen, im nächsten schien er eigenartig durchsichtig zu sein, und dann – dann war er spurlos verschwunden.« Sie hielt inne.
»Und was ist als Nächstes geschehen?«
»Ich bin von Panik erfasst durch die Gärtnerei gelaufen und habe nach meinem Begleiter gesucht. Er war nirgends zu finden. Aber das Unheimlichste an der ganzen Sache kommt noch: Ich habe im Traum das Ehepaar und auch einige der Angestellten gefragt, ob sie meinen Begleiter gesehen hätten. Aber alle starrten mich nur an, als ob ich nicht ganz richtig im Kopf sei, und versicherten mir, dass ich nie mit einem Mann dort gewesen sei. Shane, du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich im Traum gefühlt habe. Ich begann, an mir selbst zu zweifeln, an meinen Erinnerungen. Ich dachte, ich wäre übergeschnappt. Gleichzeitig wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass ich mir meinen Begleiter nicht eingebildet hatte – er war da. Und dass ich ihn, koste es, was es wolle, finden musste.«
Serena sah Shane verständnissuchend an.
»Du musst wissen, dass ich sonst eigentlich nie träume oder mich morgens einfach nicht daran erinnere. Dieser Traum jedoch war so wirklich, dass ich eine ganze Weile gebraucht habe, bis mir klarwurde, dass alles tatsächlich nur ein Traum war.«
»Hast du eine Idee, wer dein Begleiter gewesen sein könnte?«, fragte Shane gespannt. »Oder hast du zumindest das Ehepaar oder sonst jemanden erkannt?«
Serena schüttelte den Kopf.
»Ich habe niemanden erkannt. Bei dem Begleiter hatte ich lediglich das Gefühl, dass er mir sehr vertraut war.«
»Kannst du ihn beschreiben?«
Serena überlegte eine Weile.
»Nein«, sagte sie dann. »Er hatte dunkle Haare, trug legere Klamotten, Jeans und T-Shirt. Aber wenn ich versuche, mich an sein Gesicht zu erinnern, dann verschwimmt es einfach.«
»Macht nichts.« Shane legte freundschaftlich seine Hand auf ihre Schulter. »War nur eine Idee von mir. Manchmal tauchen Personen in unseren Träumen auf, die wir aus dem Alltag kennen. Solche Assoziationen können es uns oft leichter machen zu verstehen, was uns die Träume vermitteln wollen.«
»Was sie uns vermitteln wollen?«, wiederholte Serena. »Du meinst also wirklich, dass dieser Traum eine tiefere Bedeutung hat?«
»Ganz bestimmt. Besonders weil er hier am Bear Butte zu dir gekommen ist und du sonst nur selten träumst.«
»Aber was mag er bloß bedeuten? Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ich bin einfach nur verwirrt.«
»Im Augenblick ist mir das alles auch noch ein Rätsel«, erwiderte Shane nachdenklich. »Aber bei meinem Volk wird sehr viel Wert auf Träume und Visionen gelegt. Und ich habe das bestimmte Gefühl, dass, wenn es uns gelingt herauszufinden, was dein Traum dir sagen will, wir dann auch Fabian werden helfen können.«
»Ich wüsste nicht, wo ich beginnen sollte«, sagte Serena verzagt. »Oh, Shane, ich mache mir so große Sorgen um Fabian. Und ich spüre, dass die Zeit drängt. Wenn wir ihn nicht rechtzeitig finden …«
Shane legte ihr schnell den Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
»Sag es nicht«, bat er. »Schon ein solcher Gedanke kann ein Unglück heraufbeschwören.«
»Aber wie um alles in der Welt sollen wir ihn finden, Shane?«, fragte Serena aufgebracht. »Er kann überall sein!«
»Fabian wird höchstwahrscheinlich unter einem anderen Namen reisen«, überlegte Shane. »Besonders weil er glaubt, dass jemand hinter ihm her ist. Hat er dir gegenüber etwas in dieser Richtung erwähnt?«
Serena schüttelte den Kopf.
»Wo kann er nur sein?«, sann sie halblaut. Aber die Frage war nicht an Shane gerichtet, vielmehr an Gott und alle schützenden Engel.
Sie saßen eine lange Zeit schweigend nebeneinander und blickten über das weite Land. Die Sonne brannte mit ungeheurer Kraft auf sie herunter, und der stete Wind blies ihnen ins Gesicht. Sie spürten es kaum. Beide waren tief in ihre eigenen Gedanken versunken.
Serena konnte bald kaum noch sagen, wie lange sie schon so dasaßen. Sie ließ ihre Gedanken kommen und gehen, ganz unvoreingenommen. Es war ein besonderer Zustand, in dem sie sich befand; die Zeit schien
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