Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
Sorge, die Antwort wird sich dir im richtigen Augenblick zeigen.« Er stand auf. »Die Dämmerung wird bald einsetzen. Lass uns zur Schwitzhütte hinübergehen. Mom und Grandma sind schon dort.«
»Shane«, warf Serena hastig ein und packte seinen Arm. »Wegen der Zeremonie …«
Er lächelte ihr beruhigend zu.
»Mach dir keine Gedanken. Grandma wird dir gleich sagen, was du wissen musst.«
Shane nahm die Lampe, und sie machten sich auf den Weg. Es war nicht weit. Schon hinter der nächsten Gruppe von Büschen tauchte die Schwitzhütte auf. Vor ihr brannte ein helles Feuer. Die hohen Flammen stiegen in den dunklen Morgenhimmel auf und erleuchteten alles, was sich in ihrem unmittelbaren Umkreis befand. Neben dem Feuer stand Helen. Sie hob grüßend die Hand, sagte jedoch nichts. Sie konzentrierte sich allein auf ihre Aufgabe.
Der Anblick war beides zugleich: geheimnisvoll und unheimlich.
»Meine Mutter ist heute die Hüterin des Feuers«, erklärte Shane leise. »Schon vor über einer Stunde hat sie die Scheite, die wir gestern Abend vorbereitet haben, entzündet. Siehst du die Steine, die unten in den Kohlen liegen?« Er deutete in die Flammen.
»Ja«, antwortete Serena ebenso leise.
»Es sind Lavasteine. Wir haben das Holz so aufgeschichtet, dass sich die Lagen von Scheiten und Steinen abwechseln. Die Steine müssen glühend heiß werden. Das Holz brennt herunter, und die Steine sacken nach unten. Nun liegen sie auf einem Bett aus glühenden Kohlen. Moms Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das Feuer nicht ausgeht und die Steine so heiß wie möglich bleiben.«
»Wofür werden die Steine gebraucht?«, fragte Serena zaghaft.
»In der Mitte der Schwitzhütte befindet sich eine kleine Mulde. Dort werden die Lavasteine zu Beginn der Zeremonie hineingelegt. Dann, wenn alle Beteiligten in der Hütte sind, wird der Zugang abgedichtet und Wasser wird auf die Steine gegossen. Heißer Dampf entsteht.«
Wie in einer Sauna , dachte Serena. Laut fragte sie: »Werden wir alle in die Schwitzhütte gehen?«
Shane schüttelte den Kopf.
»Mom bleibt hier draußen am Feuer, denn es muss während der Zeremonie viermal Luft in die Schwitzhütte gelassen werden. Dazu wird die Plane, die den Eingang verdeckt, jedes Mal kurz angehoben.« Er sah sie nachdenklich an. »Die meiste Zeit über wird es in der Schwitzhütte stockdunkel sein.«
Serena wusste, was dieser Blick sagen wollte. Würde sie der Hitze und der Dunkelheit gewachsen sein?
»Ich verstehe«, sagte sie und schob ihre Schultern zurück. Wenn Shane und Großmutter Storm Hawk es in der Schwitzhütte aushalten konnten, dann würde sie es auch schaffen.
Shane lächelte sie stolz an, dann sprach er kurz mit seiner Mutter.
Serena warf einen abwägenden Blick auf die Schwitzhütte. Sie sah aus wie eine umgedrehte Schüssel, die mitten aus der Prärie herausragte. Sie war etwa einen Meter zwanzig hoch und vielleicht vier Meter breit. Serena konnte von außen nicht erkennen, woraus das Gerüst gefertigt war. Aber als Abdeckung waren alte Militärplanen benutzt worden. Sie reichten bis auf den Boden herab. Darüber waren einige Wolldecken gebreitet. Im Inneren war alles dunkel. Der schmale Eingang starrte Serena entgegen wie ein schwarzes Loch. Ihr sträubten sich die Nackenhaare, und sie konnte in jedem Winkel ihres Körpers die Aufregung fühlen, die sie bei dem Gedanken an die bevorstehende Zeremonie empfand.
Großmutter Storm Hawk trat aus der Schwitzhütte. Ihre weiche, melodische Stimme durchschnitt die Morgenstille.
»Die erste Dämmerung zeigt sich am Horizont. Lasst uns beginnen.«
Helen brachte einen Stapel großer Handtücher.
»Der heiße Dampf soll unseren Geist und unseren Körper reinigen«, erklärte Großmutter Storm Hawk Serena. »Zieh dich aus und wickel dich in dieses Handtuch.«
»Nimm auch allen Schmuck und deine Armbanduhr ab«, fügte Helen leise hinzu. »Sonst wird dich das Metall verbrennen.«
Serena nahm das Handtuch mit zitternden Händen entgegen. Was würde sie im Inneren der Hütte erwarten?
Hinter einem Busch zog sie sich aus und wickelte sich in das Handtuch. Der Morgenwind war kühl, und sie fröstelte. Sie war froh, als sie wieder am Feuer stand.
Shane und Großmutter Storm Hawk warteten bereits auf sie. Die beiden hatten sich ebenfalls für die Zeremonie bereitgemacht. Großmutter hatte wie Serena ihren Körper mit einem der großen Handtücher umwickelt. Shane hingegen trug seines um die Hüften geschlungen.
»Kommt«,
Weitere Kostenlose Bücher