Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
forderte Großmutter Storm Hawk sie nun auf. Dann verschwand sie im Dunkel der Schwitzhütte.
Shane folgte ihr.
Serena holte tief Luft. Dann duckte sie sich und schlüpfte ebenfalls in die Hütte.
Der Schein des Feuers warf tanzende Schatten an die Wände. Serenas Augen hatten sich bald an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte einige Umrisse erkennen. Shane saß dem Eingang gegenüber im Schneidersitz, Großmutter Storm Hawk zu ihrer Rechten. Ein Blecheimer, bis zum Rand gefüllt mit dem klaren Wasser des Baches, und eine Schöpfkelle befanden sich neben ihr.
»Erweise den Geistern Respekt, indem du sie begrüßt, bevor du weitergehst«, forderte Großmutter Serena auf. »Wir sagen üblicherweise: An alle meine Verwandten.«
Serena sprach die Worte nach.
»Nun folge dem Kreis im Uhrzeigersinn und setz dich mir gegenüber«, bat Großmutter.
Die Hütte war so niedrig, dass Serena nur auf allen vieren kriechen konnte. Vorsichtig tastete sie sich am Rand der Hütte entlang. Überrascht stellte sie fest, dass ihre Füße nicht nackte Erde berührten. Belaubte Zweige waren in einer dicken Schicht auf dem Boden ausgebreitet. Sie knackten leise, als Serena über sie hinwegkroch, und verströmten einen würzigen Duft. Serena erkannte sofort, was es war: wilder Salbei. Sein herrliches Aroma hatte sie noch von ihrem Besuch am Bear Butte in Erinnerung.
Sie setzte sich an den ihr zugewiesenen Platz. Shane und Großmutter Storm Hawk konnte sie nur schemenhaft erkennen.
»Wir sind hier, um zu beten«, fuhr Großmutter Storm Hawk in ihrer sanften Weise fort. »Der Dampf soll uns reinigen, Körper und Geist. Ich werde ein Lied singen, das die Geister auf unsere Zeremonie aufmerksam machen und sie wohlgesinnt stimmen soll. Für die heutige Zeremonie verlangen die Geister das Kojoten-Lied. Anschließend wollen wir der Reihe nach unsere Bitten um Hilfe an Great Spirit schicken. Es kann in Form eines Liedes oder eines gesprochenen Gebetes sein. Es ist nicht wichtig, wie es sich anhört, ob wir gute Sänger oder gute Redner sind. Es kommt allein darauf an, dass die Worte von Herzen kommen und vor allem, dass sie hörbar sind.«
Serena wurde jetzt doch etwas mulmig zumute. Und was hatte es bloß immer mit den Kojoten auf sich? Die schienen ihr wirklich überallhin zu folgen. Aber da kam auch schon Shanes Mutter, und Serena blieb keine Zeit, sich zu wundern.
Helen legte mit Hilfe einer Mistgabel zwanzig rotglühende Lavasteine in die Mulde in der Mitte der Schwitzhütte. Dann zog sie die Planen und Decken fest über den Eingang.
Die Steine ließen das Innere der Schwitzhütte in einem unheimlichen Licht aufleuchten. Serenas Herz pochte laut, so laut, dass sie dachte, die anderen könnten es bestimmt hören.
Plötzlich zischte es laut. Und dann noch einmal. Serena zuckte unwillkürlich zusammen.
Das Glühen erlosch, und es war stockdunkel. Großmutter Storm Hawk hatte Wasser auf die Steine gegossen.
Brennend heißer Dampf stieg auf.
Großmutter goss mehr Wasser nach.
Der Dampf breitete sich in Sekundenschnelle bis in den hintersten Winkel der Schwitzhütte aus. Und hatte es Serena eben noch gefröstelt, so war ihr mit einem Mal glühend heiß.
Großmutter Storm Hawk begann leise, eine monotone Weise in indianischer Sprache zu singen, die Serena sehr berührte. Nun warf sie etwas auf die Lavasteine, und kleine Funken sprühten auf. Ein herber Geruch breitete sich in der Schwitzhütte aus. Es war wilder Salbei. Das Kraut räucherte tüchtig.
Serena wusste nicht, wozu der Rauch diente, wagte aber nicht, Großmutter zu unterbrechen. Sie saß einfach schweigend da und wartete ab, was als Nächstes geschehen würde.
Großmutter goss unter lautem Zischen mehr Wasser auf.
Es war jetzt so heiß, dass Serenas Haut zu brennen schien, viel heißer als in jeder Sauna, in der sie je gewesen war.
Großmutter gab nun etwas anderes auf die Steine. Etwas, das große Mengen würzigen, beißenden Rauch verursachte. Serena erkannte den Geruch. Es war Zeder. Im nächsten Augenblick stieg ein Reizhusten in ihrer Kehle auf. Serena schloss die Augen. Sie versuchte verzweifelt, sich zu beherrschen und sich ganz auf die Zeremonie zu konzentrieren, aber es wollte ihr nicht gelingen. Sie hüstelte ein paarmal. Plötzlich setzte ein starkes Schwindelgefühl ein, und in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Die Kombination aus Kräutern und Hitze war mehr, als sie verkraften konnte.
Ich werde ohnmächtig , dachte Serena in Panik. Ich werde
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