Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
sich suchend um.
»Es ist gleich hier drüben«, sagte Shane.
Er ging auf einen wilden Salbeibusch zu, der ganz dicht an einer der felsigen Wände wuchs. Serena hockte sich gespannt neben ihn und hielt den Atem an. Shane schob die langen Zweige des Busches vorsichtig auseinander. Sonnenlicht durchflutete diesen sonst schattigen Teil der Felswand und strahlte wie ein Scheinwerfer auf die versteckt gelegene Petroglyphe eines Kojoten.
Serena streckte ihre Hand aus und strich behutsam über die in den Felsen geritzte Abbildung.
»Wie schön«, murmelte sie beeindruckt.
In diesem Augenblick begann Tiger zu bellen. Es war ein schrilles, lautes Bellen. Er wandte sich in Shanes Arm und versuchte, auf den Boden zu springen.
Serena blickte sich alarmiert um.
»Ein Kojote«, flüsterte sie.
Das Tier stand auf einem Felsvorsprung, unmittelbar über ihnen.
Tiger bellte und bellte.
»Sei doch ruhig. Du wirst den Kojoten noch verärgern!«, zischte Serena. Tiger beruhigte sich endlich.
»Der Kojote wird uns nicht angreifen. Vergiss nicht, was uns auf die Idee gebracht hat, hierherzukommen, und was ich dir über Kojoten erzählt habe«, meinte Shane ruhig. Aber er ließ das Tier nicht einen Moment aus den Augen.
»Der Kojote ist zwischen den Felsen zu Hause«, fuhr er leise fort. »Er ist wie die Felsen: alt, weise, mit allen Wassern gewaschen. Er beherrscht alle Tricks, die die Menschen auf Lager haben, nichts ist ihm neu. Er kennt sich aus. Er leitet uns.«
Der Kojote stand regungslos da und blickte zu ihnen herunter. Er ließ sich auch durch Tigers Anwesenheit nicht aus der Ruhe bringen.
Serena hatte das Gefühl, als starre der Kojote bis tief in ihr Herz.
»Wir brauchen deine Hilfe«, flüsterte sie kaum hörbar.
Der Kojote begann, mit langen Schritten auf dem Felsvorsprung auf und ab zu laufen. Sein Schwanz war kerzengerade aufgerichtet, seine großen Ohren zeigten aufmerksam nach vorn. Sein Fell schien irgendwie aufgeplustert und glänzte im Sonnenlicht, als hätte jemand es gründlichst gebürstet. Das Tier sah mit funkelnden gelbgrünen Augen auf sie herab. Dann begann es zu tänzeln – die Beine steif und gerade, die Pfoten spitz nach unten gerichtet. Seine federleichten Schritte schienen sich nun beinahe zu überkreuzen – fast wie bei einer Ballerina.
»Es sieht aus, als würde er tanzen«, stellte Serena angetan fest.
»Ein Tanz ist eine mächtige Medizin«, raunte Shane. »Er symbolisiert Heilung und Rettung von der Katastrophe. In der Schwitzhütte versuchen wir, die Weisheit und Demut der Steine zu finden. Und sieh nur: Der Kojote besitzt sie. Er trägt sie in sich.«
»Der Kojote auf dem Felsen tanzt für uns «, flüsterte Serena ehrfürchtig. »Für unsere Heilung, für Erfolg bei der Aufgabe, die vor uns liegt.«
Dann wandte sie sich an Shane, die Augen weit aufgerissen vor Erstaunen. »Es ist wie eine Zeremonie, nicht wahr? Nur dass es hier kein Regentanz oder Hochzeitstanz ist. Es ist der Tanz des Felskojoten .«
»Der Tanz des Felskojoten «, wiederholte Shane. Er griff nach Serenas Hand und blickte sie eindringlich an. »Du bist wirklich etwas ganz Besonderes, Reena.«
Plötzlich blieb der Kojote stehen. Er legte den Kopf zurück und stieß ein markerschütterndes Heulen aus. Dann lief er zwischen die Felsen und war verschwunden.
Serena und Shane starrten auf den Felsvorsprung, auf dem der Kojote eben noch gestanden hatte.
Nun fiel Serenas Blick auf etwas, das bisher im Schatten des Vorsprungs verborgen gewesen war. Ein großer Rucksack.
»Es ist noch jemand hier«, flüsterte sie und deutete auf den Rucksack.
In diesem Augenblick wurden Schritte laut.
»Jemand kommt«, flüsterte Shane. Er schob Serena schützend hinter sich. Vielleicht hatten diese Typen im Hummer sie doch irgendwie gefunden. Aber seltsamerweise knurrte Tiger nicht.
Serena klammerte sich an Shanes Arm und spähte vorsichtig hinter seinem Rücken hervor. Sie hielt Tiger fest an sich gedrückt.
Die Schritte kamen immer näher. Offensichtlich rechnete die Person nicht damit, jemand anders anzutreffen, denn sie bemühte sich nicht im Geringsten, ihr Näherkommen zu verheimlichen. Aber das konnte genauso gut ein Trick sein.
Tiger knurrte noch immer nicht, stattdessen versuchte er, seinen Kopf in Serenas Armbeuge zu verstecken.
Ein langer Schatten fiel auf das Felsplateau, und jemand erschien in der Felsspalte.
XV
S erena stieß einen leisen Schrei aus.
Die Person blieb wie angewurzelt stehen.
Bevor Shane einen
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