Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
»Deshalb ist es hier so warm.«
Serena legte den Kopf in den Nacken und besah sich den nächstgelegenen Hoodoo in seiner ganzen Größe. »Schau dir diesen Felsen an«, sagte sie beeindruckt. »Es sieht aus, als sei er voller Gesichter.«
»Stimmt«, sagte Shane und lächelte sie an.
Der Fels war tatsächlich in einer solchen Art und Weise von Wasser, Wind und Eis geformt und abgeschliffen worden, dass seine Oberfläche viele Vertiefungen und Erhebungen aufwies, die einem den Eindruck vermittelten, dass unzählige Gesichter auf einen herunterblickten.
Tiger schnüffelte interessiert am Fuße des Felsens. Plötzlich bellte er schrill auf.
Serena fuhr unwillkürlich zusammen. Dann entdeckte sie, was Tiger so aufgeregt hatte.
»Shane, eine Schlange!«, rief sie erschrocken und sprang ein paar Schritte zurück.
Shane zog lachend an Tigers Leine.
»Komm schon, du Dummerchen. Gegen die kannst du doch nichts ausrichten. Und Grandma wird mir für den Rest meines Lebens in den Ohren liegen, wenn dich eine Schlange zum Mittag verdrückt.«
Dann wandte er sich an Serena. »Keine Angst. Die wird dir nichts tun. Aber pass auf, dass du nicht aus Versehen auf eine trittst. Das mögen sie nämlich gar nicht.«
»Gibt es hier viele Schlangen?«
»Viele«, bestätigte Shane grinsend. »Sie haben es gerne warm, und die Felsen speichern die Wärme wie ein Backofen.«
Sie gingen weiter. Aber Serena achtete von nun an fast mehr auf den Weg – und mögliche Schlangen – als auf die großartigen Klippen und Felsformationen. Doch als sie die ersten Felsenbilder erreichten, vergaß sie ihre Sorge wegen der Schlangen. Die Bilder waren in den Sandstein geritzt und zeigten verschiedene Tiere und Strichmenschen mit großen runden Bäuchen.
»Warum sind die Menschen mit so riesigen Bäuchen dargestellt?«
»Das sind keine Bäuche«, lachte Shane, »sondern körpergroße Schilde.«
»Oh«, meinte Serena bloß. Jetzt erkannte sie auch einen Speer, den die Figur in der erhobenen Hand hielt. »Stellt diese Szene einen Kampf dar?«
Shane nickte.
»Die Petroglyphen und Piktogramme erzählen eine Menge über das Leben der Menschen, die sie geschaffen haben. Manchmal zeigen sie aber auch die Geistwesen, die hier angetroffen wurden. Dies sind sehr frühe Petroglyphen«, erklärte er. »An anderen Stellen wirst du sehen, wie sich das Leben der Indianer verwandelt hat. Auf den jüngeren Bildern tragen die Krieger nämlich keine Schilde mehr, und die Jäger reiten auf Pferden.«
Serena hörte ihm gespannt zu.
»Doch nun komm weiter«, fuhr er fort. »Ich möchte dir etwas Bestimmtes zeigen.«
»Was denn?«, fragte Serena neugierig, während sie noch schnell ein paar Fotos von den Petroglyphen machte.
»Ich habe dir erzählt, dass ich während der Schwitzhüttenzeremonie einen Kojoten gesehen habe«, sagte Shane, als sie den Pfad entlanggingen. »Aber es war kein wirklicher Kojote. Es war ein Petroglyphen-Kojote. Und nicht nur irgendeiner, sondern ein Bild, das ich schon viele Male gesehen habe – hier, in Writing-on-Stone.«
Serena sah ihn interessiert an.
»Es gibt hier im Park, wie schon gesagt, viele tausend Petroglyphen«, fuhr Shane fort. »Aber es gibt eine bestimmte, deren Existenz nur meine Familie allein kennt.«
»Und die Petroglyphe zeigt einen Kojoten«, setzte Serena ahnungsvoll hinzu.
»Richtig.«
»Hast du Fabian je davon erzählt?«, fragte Serena mit pochendem Herzen. »Oder sie ihm vielleicht sogar gezeigt?«
»Fabian ist einmal mit mir hier gewesen.«
»Wo ist die Stelle?« Serena blickte sich aufgeregt um.
»Dort drüben.« Shane deutete auf eine Felsformation im Westen.
»Bitte, lass uns schnell dorthin gehen. Vielleicht ist …« Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende, sondern eilte in die Richtung, in die Shane gedeutet hatte.
»Warte!«, rief Shane und hob Tiger auf, der sich weigerte, auch nur einen Schritt schneller zu gehen.
Außer Atem erreichten sie die Felsen.
»Wohin jetzt?«
»Wir müssen dort hinaufklettern.« Shane zeigte auf einen schmalen Spalt im Felsen.
Serena kletterte los.
»Warte, ich muss Tiger da auch irgendwie hochkriegen«, rief Shane. »Ich wusste, dass du uns nur im Weg sein würdest«, brummte er den Terrier an. Dann klemmte er sich das Tier unter den Arm und folgte Serena.
Der Spalt führte sie zu einem versteckt gelegenen Plateau in den Felsen. Wilder Salbei wuchs auf dem kargen Grund. Es war hier noch windstiller und heißer als auf dem ausgeschilderten Pfad.
Serena sah
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