Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
anderen Felsformationen sind am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Eis, Schmelzwasser und Wind haben den Sandstein weggefressen, ausgehöhlt und untergraben.«
»Unglaublich.« Serena ließ die Kamera sinken.
»Die frei stehenden, säulenartigen Felsen, die dir so gefallen, werden übrigens Hoodoos genannt«, erläuterte Shane.
»Aber warum heißt der Park Writing-on-Stone?« Serena konnte sich kaum sattsehen an den grünen Hügeln und den charismatischen Felsformationen. Das Wasser des Milk Rivers glänzte silbern in der Sonne, und die reflektierenden Sonnenstrahlen tauchten die Sandsteinfelsen in ein goldenes Licht. Ein warmer Wind strich über die mit hohem Gras bedeckten Hügel. Er brachte den süßlichen Duft von Sweetgrass mit sich.
Auch Shanes Blick schweifte über die urige Landschaft, die sich vor ihnen ausbreitete.
»Es gibt im Park über fünfzig Plätze mit Tausenden von Felsenbildern. Manche sind auf die Felsen gemalt; sie heißen Piktogramme . Andere, die Petroglyphen, sind in den Felsen eingeritzt. Viele von ihnen werden auf neuntausend Jahre und älter geschätzt. Dieser Ort ist ein wichtiger Teil der Geschichte meines Volkes. Aber nicht nur Blackfoot haben diesen Platz aufgesucht, auch Shoshone und andere Stämme.«
»Gab es hier einmal ein Dorf?«, fragte Serena. »Oder sind die Menschen nur aus spirituellen Gründen hierhergekommen und anschließend weitergezogen?«
»Das kann man heute nicht mehr genau sagen. Aber es wurden mehrere Tipi-Ringe und auch ein medicine wheel gefunden, die darauf schließen lassen, dass es irgendeine Art von permanenter Siedlung gegeben hat.«
»Und was ist deine persönliche Meinung?«, erkundigte Serena sich und blickte ihn forschend an.
Shane lachte auf, als er ihre ernste Miene sah.
»Ich denke, dass zumindest eine Gruppe von Menschen ständig hier gelebt haben muss, um über den Ort zu wachen.«
»Ich kann mir gut vorstellen, warum diese Gegend eine besondere Anziehungskraft auf deine Vorfahren ausgeübt hat«, stellte Serena fest. »Ich meine, im Vergleich zum Rest der Prärie ist dieser Ort allein wegen seiner Beschaffenheit etwas ganz Besonderes.«
»Mein Volk glaubt seit jeher, dass kraftvolle Geistwesen in den Hoodoos und Klippen wohnen. Die Menschen kamen hierher, um den Geistwesen Gaben darzubringen und sie um Erfolg bei der Jagd oder anderen wichtigen Anliegen zu bitten. Und viele tun es heute noch.«
Sein Blick schweifte in die Ferne. »Stell dir vor, wie es damals hier ausgesehen hat«, fuhr er fort. »So weit das Auge reicht nur weite Prärie. Kein Haus. Keine Straße. Nichts. Hüfthohes Gras, das sich wie Wellen sacht im Wind wiegt. Sanfte grüne Hügel, auf denen Bisons grasen, die dir alles geben, was du zum Leben brauchst: Nahrung, Kleidung, Behausung, Waffen, Werkzeuge – einfach alles. Dort unten fließt der Milk River, der dir Wasser gibt. Und in den geschützten Senken zwischen den Klippen und Hoodoos gibt es Wild und Beeren im Überfluss.«
Ein wohliger Schauer überkam Serena. Die Landschaft vor ihren Augen begann zu verschwimmen. Stattdessen begann sie die Dinge zu sehen, von denen Shane erzählte.
»Ein Paradies auf Erden«, flüsterte sie.
Shanes Lachen holte sie in die Wirklichkeit zurück. »Das haben meine Vorfahren auch gedacht. Und so war es auch – bis der weiße Mann kam.«
Serena seufzte schwermütig auf. Dann meinte sie gedankenversunken: »Wenigstens gibt es hier keinen Zaun wie am medicine wheel in Wyoming.«
»Nein, den gibt es hier nicht«, meinte Shane belustigt. »Hier gibt es sogar Wege, die nach unten und zwischen den Hoodoos und Klippen hindurchführen. Möchtest du sie dir aus der Nähe ansehen? Und auch die Felsenbilder?«
»Sehr gerne.« Serenas Blick fiel auf Tiger, der noch immer auf Shanes Arm saß. »Ich glaube, Tiger freut sich auch, wenn er sich ein wenig die Beine vertreten kann. Der Arme hat schließlich den ganzen Vormittag im Auto verbracht.«
Shane holte Tigers Leine aus dem Wagen. Dann folgten sie dem Trampelpfad, der sich zwischen den Klippen ins Flusstal hinabschlängelte. Der sandige Weg war mit kleinen Steinen und Felssplittern übersät, die unter ihren Schritten knirschten. Tiger zog an seiner Leine und schnüffelte aufgeregt an jedem Busch und jedem Felsen.
»Hier unten ist es viel heißer als oben auf den Hügeln«, stellte Serena fest und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Der Sandstein hält den Wind ab und speichert die Wärme der Sonne«, erklärte Shane.
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