Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
hatten sie kurz getankt und waren dann Richtung Banff weitergefahren. Die Rocky Mountains hatten zunächst wie eine starre, weit entfernte Kulisse am Horizont ausgeharrt. Aber dann waren sie mit einem Mal schnell näher gerückt. Die weite, endlose Prärie war in sanfte, wellenartige Hügel übergegangen, die mit jeder Umdrehung der Wagenräder steiler wurden. Und die Straße schlängelte sich immer höher und höher in die Berge.
Je mehr sie sich Banff näherten, desto karger wurde die Landschaft. Die Kiefern standen dicht an dicht und wuchsen eher schlank und niedrig im Vergleich zu den großen, prächtigen Ponderosa-Kiefern mit ihren weitläufigen Ästen, wie Serena sie am Bear Butte und in Wyoming gesehen hatte. Der Wald wirkte dunkel. Manchmal führte sie der Highway entlang schroffer Felswände, die gleich neben der Straße in tiefe Schluchten abfielen. Dann wieder durchfuhren sie weite Hochtäler, gesäumt von Wäldern und alpinen Wiesen. Schneebedeckte Bergspitzen erstreckten sich in alle Richtungen.
»Shane«, rief Serena plötzlich. »Du musst anhalten. Da vorne liegt irgendetwas neben der Straße!«
Sie durchfuhren eine Bergwiese in einem der Hochtäler. Und zu beiden Seiten der Straße waren große braune Buckel zu sehen.
Shane blickte in die Richtung, in die sie deutete.
»Das sind Wapitis«, erklärte er lachend. »Sie liegen in der Sonne und genießen ihr geruhsames Leben im Park.«
Er verlangsamte den Wagen, damit Serena besser sehen konnte, und hielt schließlich an.
»Wir sind schon im Banff National Park?«, fragte Serena erstaunt.
»Schon eine kurze Weile.«
Serena lehnte sich aus dem Fenster und knipste drauflos.
»Ich habe noch nie einen Wapiti in freier Wildbahn gesehen. Geschweige denn eine ganze Herde«, sagte sie begeistert. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie so groß sind.«
Tiger sprang auf ihren Schoß und drängelte sich ans Fenster. Er bellte die Hirsche aufgeregt an.
»Hör doch auf, du Dummerchen«, ermahnte Serena ihn. »Du erschreckst sie nur.«
Aber es war bereits zu spät. Der erste Wapiti erhob sich, und der Rest der Herde folgte. Langsam wanderten sie auf den Schutz der Bäume zu.
»Da hast du es«, meinte Serena enttäuscht.
»Keine Angst«, meinte Shane. »Du wirst noch genug Gelegenheiten haben, Wapitis zu fotografieren.«
Sie fuhren weiter.
»Nanu, was ist denn das?«, fragte Serena kurz darauf verwundert. Vor ihnen war der Highway mit Holzblockaden abgeriegelt, und orangefarbene Warnlichter blinkten ihnen entgegen. Ein Wagen der RCMP parkte am Straßenrand.
»Ich weiß es nicht.«
Shane rollte langsam bis an die Absperrung heran und wandte sich dort an einen jungen Mann, der ein Stoppschild in der einen und einen Walkie-Talkie in der anderen Hand trug.
»Was ist los?«, erkundigte Shane sich.
»Der Highway ist auf den nächsten fünf Kilometern bis auf weiteres gesperrt«, erklärte der junge Mann. »Sie können hier nicht weiterfahren.«
»Aber wir müssen nach Banff.«
»Es tut mir leid«, erwiderte der Mann. »Dann müssen Sie zurück nach Fort Macleod und über Radium Hot Springs ausweichen.«
»Aber das ist ein Umweg von vielen hundert Kilometern.«
»Es tut mir aufrichtig leid«, wiederholte der Mann.
»Was ist denn geschehen?«, fragte Shane. »Warum ist der Highway gesperrt?«
»Das weiß ich nicht. Man hat uns nur gesagt, dass wir den Highway an dieser Stelle abzusperren haben.«
Shane nickte nachdenklich.
»Gibt es ein Problem?«, ertönte plötzlich eine harsche Stimme neben dem Beifahrerfenster.
Serena fuhr erschrocken herum. Sie hatte sich zur Fahrerseite gedreht und Shanes Gespräch mit dem Straßenarbeiter zugehört und nicht damit gerechnet, dass jemand auf der anderen Seite des Wagens stehen könnte.
Ein RCMP-Beamter blickte mit finsterer Miene zum Fenster herein. Als er Serenas Gesicht sah, änderte der Polizist seinen Tonfall jedoch sofort.
»Entschuldigen Sie, Miss. Ich wollte Sie nicht erschrecken«, erklärte er höflich. Dann blickte er an Serena vorbei und musterte Shane eindringlich. »Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Miss?«, erkundigte er sich, ohne Shane aus den Augen zu lassen.
»Alles bestens«, erklärte Serena überrascht. »Wir haben uns nur über die Sperrung des Highways unterhalten.«
»Dann wünsche ich Ihnen noch eine gute Fahrt«, sagte der Polizist und wandte sich zu seinem Dienstwagen um.
Serena beobachtete, wie er sein Funkgerät zur Hand nahm und irgendetwas durchgab. Ein flüchtiger Seitenblick
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