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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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einen Kasten mit Geld gestohlen. Jemand hat ihn gesehen, aber er stritt alles ab, als die Polizei aus Boane ihn verhörte. Alfredo hat den Kasten mit Geld gefunden. Isaias hatte ihn hinter dem alten Hühnerstall vergraben. Als Alfredo mit dem Kasten kam, musste Isaias gestehen, dass er das Geld gestohlen hatte. Die Polizei hat ihn mitgenommen. Er weiß, dass er niemals zu uns zurückkehren kann, wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird.«
    Lydia hatte mit niedergeschlagenen Augen berichtet, als ob sie sich vor Sofia schämte, obwohl sie doch nur ein Kind war. Der Zorn und die Trauer, die Sofia bedrückt hatten, waren plötzlich fort. Jetzt tat ihr Lydia Leid, die so alt und müde geworden war, seit sie aus ihrem niedergebrannten Dorf hatten fliehen müssen. Nichts war mehr schwer. Jetzt konnte Sofia ins Dorf zurückkehren. Und sie konnte Totios Nähmaschine annehmen. Sie dachte, sie habe eine Frage an Muazena, die sie das nächste Mal stellen würde, wenn sie Muazenas Gesicht in den Flammen des Feuers sah. Sie musste fragen, warum lange Zeit verging, in der nichts geschah, in der alles dunkel und schwer war. Und dann geschah alles zur gleichen Zeit. Muazena hatte sicher eine Antwort für sie.
    »Ich hab gedacht, wir könnten Marias Grab besuchen«, sagte Lydia plötzlich. »Aber vielleicht kannst du nicht? Ich habe gehört, dass du eine Arbeit hast.« Sofia hatte noch nie daran gedacht, dass sie eines Tages Marias Grab besuchen würde.
    »Ich werde Fatima fragen«, sagte sie. »Wir können zusammen hingehen. Aber ich weiß nicht, wo Marias Grab ist.«
    »Wenn du zu dem großen Friedhof am Fluss findest, dann werde ich mich erinnern, wie man gehen muss, um zu Marias Grab zu kommen.«
    Sie gingen zu Fatimas Haus. Lydia wollte nicht mit hineinkommen. Sie schämte sich wegen ihrer einfachen Kleider. Sofia ging hinein zu den Vögeln und fragte Fatima, ob sie zusammen mit ihrer Mutter das Grab ihrer Schwester besuchen dürfe. Fatima wurde fast böse darüber, dass Sofia fragte. »Natürlich sollst du zum Friedhof gehen«, sagte sie. Sie gab Sofia auch ein wenig Geld, damit sie den weiten Weg durch die Stadt zum Friedhof nicht zu Fuß gehen mussten. Dann beschrieb sie Sofia, wo sie einen Laster fand, der in die richtige Richtung fuhr. Lydia schien sich vor der Stadt zu fürchten. Sie hielt sich nah bei Sofia und fürchtete sich vor den hohen Häusern, den vielen Autos und den Menschen, die es alle so eilig hatten. In einem umgebauten Jeep erreichten sie den Friedhof. Lydia dachte lange nach, ehe sie in die Richtung zeigte, in die sie gehen mussten. Der Friedhof war sehr groß. Vor den hohen verrosteten Pforten, die an gesprungenen Zementpfeilern hingen, gab es kleine Häuser mit einem Kreuz dran. Dort standen Särge aufeinander gestapelt. An jedem Haus war der Name der Familie eingemeißelt, die hier ihre Toten verwahrte. Zu ihrer Verwunderung entdeckte Sofia, dass arme Menschen, die keine Wohnung hatten, in diese Sarghäuser eingezogen waren.
    Sie schliefen oder bereiteten Essen zwischen den Särgen. Sofia schauderte bei dem Gedanken, dass sie einmal so arm sein könnte, dass sie zwischen Gräbern hausen müsste. Sie gingen weiter und kamen zu langen Reihen von weißen Grabsteinen. Viele waren verwittert oder umgefallen. Zwischen trockenen Blumen und verrotteten Kreuzen huschten Eidechsen herum. Der Friedhof schien unendlich zu sein. Schließlich wurden die Abstände zwischen den Steinen größer und sie kamen zu einem ausgedehnten Gebiet, in dem nur einfache Holzkreuze daran erinnerten, wo die Toten begraben waren. Lydia blieb stehen und sah sich um. Dann gingen sie weiter. Erst am Rand des Friedhofs waren sie am Ziel.
    »Hier ist es«, sagte Lydia und wischte sich mit dem Kopftuch den Schweiß von der Stirn. Sofia sah sich um. Ein Grab konnte sie nicht entdecken. »Hier liegen viele zusammen begraben«, sagte Lydia. »Sie waren so arm wie wir. Aber hier ist es, ich weiß es.« Sie setzten sich in den Schatten eines hohen Baumes. Sofia versuchte sich vorzustellen, Maria sei irgendwo in der Nähe, begraben in der Erde. Gleichzeitig beschloss sie, Maria vom ersten selbst verdienten Geld ein Kreuz zu kaufen. Erst dann würde sie wirklich begreifen, dass Maria hier begraben lag.
    Lydia begann ihren Körper langsam zu wiegen. Aus ihrem Mund kam ein lang gezogener klagender Laut. Sofia begann sich auch zu wiegen. Ohne dass sie wusste, wie es zuging, stieg auch aus ihrem Mund ein Klagen. Sie saßen viele Stunden zusammen und

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