Das Geheimnis des Feuers
davon durchs tiefe Wasser, das in den Straßen stand. Mehrere Male wurde sie von unvorsichtigen Autofahrern bespritzt.
Als sie Fatimas Haus erreichte, wartete dort eine Überraschung auf sie. Totio war schon da. Er stand im Schutz eines Baumes. Sofia dachte, Fatima werde nichts dagegen haben, wenn ein Mann, der auch eine Nähmaschine besaß und die Geheimnisse von Fäden und Stoffen kannte, sie besuchte.
»Onkel Totio soll nicht hier draußen im Regen stehen«, sagte sie. »Wir gehen hinein.« Sofia schob die Tür auf und sie traten ein. Überall flatterten, piepsten und zwitscherten Vögel. Totio verstummte genau wie sie, als sie das erste Mal Fatimas Haus betreten hatte. Verwundert sah er sich um.
»A phsi nyenhana a ku shonga« (»Was für hübsche Vögel.«), sagte er. »Ina« (»Ja.«), antwortete Sofia und lächelte. Fatima war gerade dabei, den Stoff für eine Bluse zuzuschneiden, als Sofia mit Totio eintrat. Sie begrüßten einander und begannen sofort zu reden. Fatima sagte, er solle die nassen Sachen ausziehen und eine Decke um den Körper wickeln. Aber Totio sagte, es mache nichts. Nur seinen alten zerschlissenen Hut wischte er sorgfältig ab und legte ihn vorsichtig auf einen Stuhl. Den ganzen Tag saß er dann auf dem Stuhl neben dem Hut und verfolgte Sofias Arbeit. Immer noch hatte er nicht gesagt, warum er gekommen war. Sofia wusste, dass sich alte Menschen oft Zeit ließen, Fragen zu stellen oder eine Neuigkeit zu berichten. Da Totio nun gekommen war, konnte sie auch warten. Aber als es Nachmittag geworden war und er nichts anderes getan hatte, als ihre Arbeit mit Blicken zu verfolgen, wurde sie ungeduldig. Warum sagte er nichts? Es sah so aus, als ob er besonders daran interessiert sei, sie auf einer von Fatimas Maschinen nähen zu sehen. Sie war stolz, dass sie nicht einen einzigen Fehler machte an dem Tag, als Totio da war.
Sie waren schon dabei, die Arbeit des Tages zu beenden, als Totio zu sprechen begann. Fatima war in der Küche verschwunden und klapperte mit Töpfen, als Sofia plötzlich seine Stimme hörte.
»Jetzt weiß ich, dass du nähen kannst«, sagte er. »Du hast schon gelernt mit einer Nähmaschine umzugehen. Ich bin hergekommen um das zu sehen.« Sofia saß mit den Händen im Schoß da und hörte zu.
»Ich bin alt geworden«, fuhr Totio fort. »Meine Sehkraft lässt nach und ich will nicht so schlechte Nähte nähen, dass sich die Kunden beklagen. Darum habe ich beschlossen aufzuhören. Fernanda und ich wollen zurück nach Mueda ziehen. Jetzt bin ich hergekommen um dich zu fragen, ob du meine Hütte und die Nähmaschine übernehmen möchtest.« Sofia meinte sich verhört zu haben.
»Ich habe kein Geld, um dich zu bezahlen«, sagte sie. »Ich hatte gedacht, du könntest uns welches schicken, wenn du etwas übrig hast«, sagte Totio. »Wir Alten brauchen nicht so viel.« Sofia überlegte immer noch, ob da etwas war, was sie nicht verstanden hatte. Meinte Totio, sie solle seine Nähmaschine bekommen? Dass sie die Arbeit als Näherin und Schneiderin in dem Dorf außerhalb von Boane übernehmen sollte? Sie, die noch nicht einmal dreizehn Jahre alt war? Totio verstand, dass sie erstaunt war. »Ich habe diese lange Reise nicht gemacht um etwas zu sagen, was nicht stimmt«, fuhr er fort. Sofia begriff, dass er meinte, was er sagte. Die Gedanken flatterten in ihrem Kopf herum wie die Vögel in Fatimas Haus.
»Ich kann nicht«, sagte sie.
»Warum kannst du nicht?«
Sofia erzählte von Isaias. Und warum sie zurückgekehrt war in die Stadt. Totio nickte langsam und lange, nachdem sie verstummt war.
»Ich verstehe, dass es schwer wird«, sagte er. »Aber bedenke, dass du Fernandas und meine Hütte übernehmen kannst. Du wirst arbeiten und dich allein versorgen. Du brauchst Isaias nicht zu begegnen, wenn du nicht willst.«
»Niemals«, sagte Sofia. »Vielleicht. Das entscheidest du selbst.«
Er stand mühsam auf und setzte sich den alten Hut auf. Durch die zerschlissene Krempe stach sein graues Haar. »Ich habe gesehen, dass du nähen kannst«, wiederholte er. »Du musst noch viel lernen. Aber jetzt kann ich zurückkehren und Fernanda sagen, dass Sofia die Nähmaschine übernehmen kann. Jetzt ist der Heimweg leichter.« Er kam zu ihr, stellte sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Du sollst nicht in dieser Stadt bleiben«, sagte er. »Du bist nur zu Besuch. Du gehörst ins Dorf. Jetzt weißt du, dass da etwas ist, wohin du zurückkehren kannst. Komm in einigen Wochen.
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