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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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möglich über Bozen herausfinden; die Stadt, die für einen der Sieben stand, wie ich jetzt wusste. Bruder Guido sollte stolz auf mich sein. Ich würde das tun, was er
nicht konnte, weil er nicht hier war: die Rolle dieses Ortes im Gesamtplan ergründen.
    Zuerst betrachtete ich den gesamten cartone noch einmal. Wir kennen jetzt alle sieben, dachte ich. Pisa, Neapel, Rom, Florenz, Venedig, Bozen und höchstwahrscheinlich Mailand, weil Bruder Guido gesagt hatte, wir würden uns dort treffen und meine Mutter unsere Reise dort unterbrechen wollte. Und wir kannten die Verschwörer: Signore Silvio della Torre von Pisa, König Don Ferrante von Neapel, Seine Heiligkeit der Papst von Rom, Doge Giovanni Mocenigo von Venedig, Erzherzog Sigismund von Österreich und jemand in Mailand, mit dessen Namen Bruder Guido vermutlich aufwarten konnte.
    Wir hatten uns ein Bild von den Spielern gemacht, aber wir wussten noch nicht, welches Spiel sie spielten. Die Frage nach dem Wer hatte sich beantwortet, nicht aber die nach dem Was oder Wann oder Warum.
    Und welche Rolle spielte Genua? Diese Seefahrerstadt und Heimat meines treuen Freundes Signore Cristoforo? Warum tauchte Genua in dem Bild auf, aber nicht als Mitglied der Sieben?
    Ich grübelte darüber nach, bis ich Kopfschmerzen bekam, dann gab ich auf und konzentrierte mich auf die Figur des Zephyr, wobei ich mir vorstellte, Bruder Guido säße neben mir und würde mich anleiten. Was sehen wir hier? Fang einfach mit dem Erstbesten an, was dir in den Sinn kommt .
    Nach kurzer Zeit hatte ich diese Liste zusammengestellt:
    Er hatte Flügel.
    Sein Haar war blau.
    Seine Flügel waren blau.
    Sein Gewand war blau und wellig wie das Meer.
    Seine Haut wirkte bei näherer Betrachtung eher silbern als blau.
    Seine Füße waren nicht zu sehen.
    Seine Wangen waren aufgeblasen.
    Ein silberner Windstrom quoll über seine Lippen.

    Seine Augen blickten in die von Chloris und sonst nirgendwo hin.
    Er griff nach Chloris; führte Böses im Schilde.
    Er befand sich hinter ein paar Lorbeerzweigen.
    Er befand sich vor einigen Orangenbäumen.
    Hinter seinem linken Knie und den Stämmen der Orangenund Lorbeerbäume sah man eine silberblaue Bergkette.
    Auch ohne meinen gelehrten Freund konnte ich ein paar Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zephyr war höher als Venedig - Bozen lag in den Bergen, was von der Bergkette neben Zephyrs Knie und seinen Flügeln, die ihn in die Luft hoben, noch unterstrichen wurde. Bozen lag nordwestlich von Venedig (hier dankte ich Signore Cristoforo im Stillen für seine Lektionen) und stellte wahrscheinlich irgendeine Bedrohung dar, denn Zephyr stieß von den Bergen herunter - um anzugreifen? Die Farbe Blau - das war leicht, ich brauchte nur meine armen Finger anzusehen, die den cartone hielten. Blau wie Boreas oder eher Zephyr. Die Bedeutung der Orangen und des Lorbeers war gleichfalls klar; Zephyr befand sich inmitten der Medici-Embleme, war also tief in das Komplott verstrickt.
    Ich konnte mir nicht erklären, warum seine Haut silbern war, es sei denn, es hatte etwas mit Wasser zu tun. Auch die Flügel verwirrten mich. Deuteten sie auf einen bestimmten Vogel hin, oder war Zephyr nur so dargestellt, weil es sich um einen Wind handelte, der auf dem Äther ritt? Eingedenk der Tatsache, dass Floras zweiunddreißig Rosen mich zu guter Letzt zu der Kompassrose geführt hatten, begann ich die Federn zu zählen, was sich aber als unmöglich erwies, daher gab ich bald auf. Stattdessen versuchte ich, den Gesichtsausdruck des Westwindes und der Nymphe Chloris zu interpretieren. Laut Signore Cristoforo hatte Zephyr der Legende zufolge Chloris geschändet und geschwängert und mit ihr die Windrösser gezeugt. Aber obwohl seine Haltung ihr gegenüber ausgesprochen drohend wirkte und sie Hilfe suchend zu Flora zu laufen schien, lag auf
den zweiten Blick mehr Zärtlichkeit in den Augen des Paares, als man vermutet hätte. Chloris sah verlangend und furchterfüllt zugleich aus - wie eine Jungfrau, die zum ersten Mal von einem Mann berührt wird. Zephyr neigte ihr den Kopf zu, und die Hand, die er auf sie legte, war weich und entspannt, nicht fordernd und zupackend, denn der Daumen war nicht zu sehen-bei einem gewalttätigen Akt hätte er sich zusammen mit den anderen Fingern in Gewand und Fleisch gegraben. Nein, dies war eher eine Liebkosung. Ich fragte mich, ob dies eine Verbindung war, von der beide Seiten profitierten, ähnlich wie das rätselhafte Gespräch, das ich unten mit angehört

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