Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
zu blasen. Wir sollten die Zeit lieber damit verbringen, ’nen Plan zu schmieden.« Dann wandte er sich an Will. »Die Silberne Nixe , ist das nicht ’ne Schenke in der Nähe der Themse, bei den Theatern und dem Bärenring?«
Will nickte. »Ja, in ’ner Seitengasse, die zu ’ner Anlegestelle zum Fluss hinabführt.«
»Wird der Keller bewacht?«
»Bis auf den bissigen Köter ist niemand dort. Nur der Wirt, wenn er neue Kinder liefert, und seine Frau, die ihnen was zum Futtern bringt. Der Köter allerdings ist ’n Problem.« Wieder rieb er seine verletzte Wade.
»Ich hätte da ’ne Idee, wie wir die Bestie in ein Schoßhündchen verwandeln könnten«, meinte Kit. »Und zwar auf die gleiche Weise, wie’s der Wirt und seine Alte mit den Kindern tun.« Er schob seine Mütze zurecht und blickte triumphierend in die Runde. »Mit ’nem Schlafmittel.«
»Und wo willst du das herzaubern?«, wandte Maggie ein. »Da kommt man nicht so leicht ran.«
»Ist kein Problem«, erwiderte der Junge. »Ich kenne da ’nen Lehrling von ’nem Apotheker in Cheapside. Der ist mir noch was schuldig und könnte mir mühelos ’n Fläschchen besorgen.« Er zwinkerte Maggie keck zu. »Alles, was wir noch brauchen, ist ’n Knochen oder ’n Stück Fleisch, das wir mit dem Zeug einreiben können. Und der Köter wird selig schlafen, während wir die Kinder rausholen.«
»Und wann soll’s losgehen?« Jack konnte es kaum erwarten, endlich seinen Bruder wiederzusehen.
»Um Mitternacht am Brückentor«, sagte Kit.
Jack griff sich an die Brust, wo er durch das Leinenhemdden Salamander spüren konnte. Bestens! Dann würde er endlich auch den Salamander wieder los, denn jedes Mal, wenn der Beutel gegen seine Haut streifte, musste er an die Strafe denken, die ihm blühte, wenn Moll herausfand, was er getan hatte. Sobald sie die Kinder befreit hatten, würde er ihn Alyss zurückgeben. Mit etwas Glück gelang es ihr dann vielleicht doch noch, die gemeinen Verwandten zu verjagen und ihr Elternhaus zu retten.
Jack, Maggie, Kit und Will trafen sich kurz vor Mitternacht am Verrätertor an der Südseite der Brücke. Die beiden Jungen der Hafenbande waren schon früher am Abend in die Vorstadt gekommen, bevor der Wärter das Tor für die Nacht verschlossen hatte. Da sie in einem alten Lagerhaus im Hafen von Billingsgate auf der anderen Seite des Flusses wohnten, planten sie, später mit einem Fährboot zurückzufahren. Die kleine Eliza hatten sie zu Hause gelassen. Die nächtliche Aktion der Älteren war zu gefährlich.
»Unser Köder«, rief Will zur Begrüßung. Er hielt ein Päckchen hoch, das er siegessicher hin- und herwedelte. Inzwischen hatte er sein Gesicht gewaschen, doch er trug immer noch das zerrissene Hemd und die schmutzige Hose.
»Wenn der Kläffer das gefressen hat, wird er bald ins Land der Träume eintauchen«, verkündete Kit gleich hinter ihm. »Wir haben es mit ’ner ganzen Flasche Mohnsaft eingerieben.«
Obwohl das Fleisch in einen alten Lappen eingewickelt war, drang der Gestank durch den löchrigen Stoff. Maggie hielt sich die Nase zu.
»Pfui Teufel. Das stinkt ja ekelhaft.«
»Ist es auch«, erwiderte Kit grinsend. »Der Fleischer amMarkt hat nichts für den Braten verlangt. Die Maden im Fleisch gab’s auch umsonst dazu.«
Die vier Kinder bogen von der Brücke hinterm Wirtshaus Zum Bären in die Straße ein, die an der Kirche vorbei parallel zum Fluss verlief. Gleich rechts führte die schmale Pepper Alley zur Themse hinab. Dort hatte Kit ihnen vor nur wenigen Tagen vom Zauberer und den Ratten berichtet, doch sein Freund Will hatte ihn inzwischen eines Besseren belehrt. Es gab keine Zweifel mehr, dass es sich um Kindesraub und nicht um Zauberei handelte. Heute Abend gingen sie geradeaus weiter, am Bau der mächtigen Kirche vorüber. Es war gut, dass Maggie daran gedacht hatte, eine Laterne mitzubringen, denn die meisten Häuser auf beiden Seiten der Straße waren bereits dunkel. Nur hinter wenigen Fenstern flackerte noch Kerzenlicht. Es waren auch kaum noch Leute unterwegs. Selbst die Vorführungen der nahen Theater waren längst zu Ende und die Theaterbesucher nach Hause gegangen.
»Ist nicht mehr weit«, sagte Will, als sie von der Hauptstraße in eine kleinere Gasse einbogen. Tatsächlich konnte man die Silberne Nixe bereits von Weitem sehen. Die Schenke war das einzige Haus weit und breit, das noch erleuchtet war. Hinter den schmutzigen Fenstern konnte man trotz der späten Stunde die Umrisse von Zechern
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