Das Geheimnis des Goldmachers
den Originaltext in Altgriechisch sowie die arabische Übersetzung
vorliegen, und glaubt mir, wenngleich nahezu wortwörtlich übertragen, so fehlte
der Übersetzung doch das Wesentliche, ich will es mal als den genialen,
göttlichen Funken bezeichnen. Tagelang zerbrach ich mir den Kopf, woran es wohl
gelegen haben mochte, das Rätsel lösen konnte ich nicht, ich weiß nur, auch ich
hätte den Text nicht besser ins Arabische übertragen können. Doch sagt, Bruder
Albert, interessiert Ihr Euch als Diener Gottes etwa für die Lehren des
Aristoteles? Ich weiß nicht viel von Eurer Religion, doch Bibel und
Wissenschaft will auch Eure Kirche nicht so recht vereinen, soviel ist mir
gewiss bekannt.«
»Jetzt kennt Ihr also mein
Dilemma!« Albert sprach nun mit gedämpfter Stimme. »Es gibt Tage, da könnte ich
fast entzweireißen – sicherlich will ich mein Leben Gott widmen und ihm dienen
mit all meiner Kraft, doch kann ich leider meine Neugier nicht im Zaum halten,
wenn sich Phänomene ereignen in der Natur, für die ich keine Erklärung finde.
Unzählige Nächte schon lag ich wach und grübelte, und nicht selten fand ich die
Antworten in Schriften, deren Gebrauch sich für einen Klosterbruder nicht
schickt. Doch immer waren es Übersetzungen ins Lateinische, nie hielt ich den
muttersprachlichen Text eines großen Philosophen aus dem alten Griechenland in
den Händen. Auch wenn es sich für einen Mönch nicht gehört, so muss ich doch
gestehen, dass ich Euch um Euer Glück ein wenig beneide.« Nur noch leise
wispernd, fügte Albert hinzu: »Ich bitte Euch inständig, opfert mir ein wenig
Zeit und berichtet über die Schriften, ich wäre Euch auf ewig dankbar.«
»Gern will ich das tun, doch
befürchtet Ihr, die Klostermauern haben Ohren?«, fragte Osman ein wenig
irritiert.
»Beileibe nicht!«, antwortete der
Mönch nun nicht mehr flüsternd, sondern mit fester Stimme. »Ich weiß, ich
benehme mich kindisch, doch meine Neigung, von der ich Euch gerade berichtet
habe, bringt mir nichts als Scherereien ein, zumindest innerhalb des Ordens.
Außerhalb der Klostermauern zollt man mir aufgrund meiner erbrachten Studien
und Abhandlungen in freidenkenden Kreisen durchaus Hochachtung und Respekt,
hier jedoch will man von meinen naturwissenschaftlichen Forschungen nichts
hören und sehen, nur theologische Studien sind erwünscht. Einmal sagte man mir,
dass alles, was der Mensch wissen müsse, in der Bibel stehe, so wie es nahezu
wortwörtlich sechshundert Jahre zuvor al-Chattab behauptete – freilich bezog er
sich auf den Koran. Was meine Seele anbelangt, kann ich dem gern zustimmen,
doch warum gab mir Gott dann diese Leidenschaft, die Rätsel zu lösen, welche
die Natur uns aufgibt? Will ich als guter Christ glauben, dass alles, was der
Herrgott bewirkt, seinen Sinn und seinen Zweck hat, so will ich auch annehmen,
dass die Neugier mir gegeben wurde als Ansporn, Dinge zu hinterfragen, und der
Verstand, um die Rätsel schließlich zu ergründen. Setze ich den Gedanken fort,
indem ich festlege, dass Gott uns Verstand gegeben hat, um diesen zu
gebrauchen, sind es letztlich die Regeln der Kirche, welche fehlgeleitet sind
und denen ich mich nicht restlos unterwerfen will und kann. So ist mein Leben
eine gefährliche Gratwanderung zwischen Religion und Wissenschaft, und sollte
ich eines Tages als Ketzer gerichtet werden, ist es halt mein Schicksal, sei’s
drum!«
Deutlich hörbar
schnaufte Albert durch, fast körperlich spürbar war der Zwiespalt, in dem der
Mönch sich befand. Nach einigen Momenten der Selbstbesinnung kehrte sein Geist
zurück, nun wieder frohgemut und aufgeweckt wie zuvor.
»Doch genug der trüben
Gedanken«, fuhr er fort, »die Sonne wird bald ihren höchsten Punkt erreichen
und die Glocke zur Sext schlagen, das bedeutet, es ist bald Essenszeit. Selbst
der genügsame Magen eines Dominikaners braucht ab und an Nahrung und Eurem wird
es gewiss nicht anders ergehen. So erzählt also noch rasch, wie die restliche
Reise verlief.«
»Viel Aufregendes gibt
es nicht mehr zu berichten. Etwa eine Woche, nachdem Robert und ich
übereinkamen, unser Glück in Cölln zu suchen, liefen wir in Bremen ein. Die
Athena war noch nicht vollends vertäut, da hatten wir bereits festen Boden
unter unseren Füßen, denn so rasch wie möglich wollten wir hinter uns lassen,
was uns mit der alten Heimat verband. Schnell besorgten wir uns beim Schneider
angemessene Kleider, ich erstand zwei Reittiere und schon machten wir uns auf
die
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