Das Geheimnis des Goldmachers
Zustand waren die Tiere besonders reizbar,
obgleich er es als Moslem bei Schweinen natürlich nur vermuten konnten. Doch,
so sagte er sich, warum sollte es um das Gemüt von Sauen anders bestellt sein
als um das von Pferden, Schafen oder Frauenzimmern?
Nun musste er genau zielen, einen
zweiten Versuch würde er nicht bekommen, außerdem war Geduld gefragt, denn es
musste der richtige Zeitpunkt abgewartet werden.
Endlich war es so weit und er warf
genau in dem Moment, da die beiden Wachsoldaten sowohl ihm als auch der Sau den
Rücken zukehrten, das lehmige Geschoss mit aller Kraft und von einem stillen
Gebet begleitet auf das arme, bislang reglos liegende Tier. Er traf es mitten
auf seinen aufgedunsenen Bauch.
Die Hölle brach los.
Mit einem
markerschütternden Quieken sprang das gar nicht mehr träge Tier auf, und
während es laut grunzend und rasend vor Wut auf die verdutzten Soldaten
zupreschte, riss Robert in Windeseile ein Holzbrett nach dem anderen aus der
Scheunenwand.
Dies ging zwar alles
andere als lautlos vonstatten, dennoch bemerkten die Wachleute nichts davon,
denn sie hatten ganz andere Sorgen. Während die trächtige Elsa nun, für
gewöhnlich eine Seele von einem Schwein, wutschäumend den einfachen
Wachsoldaten Gustav und seinen Leutnant kreuz und quer durch die Scheune hetzte
und die Gejagten wiederum weder das klemmende Tor öffnen noch ihre bei dem
Tohuwabohu irgendwie unter einem Berg von Stroh geratenen Lanzen finden
konnten, flohen Robert und Osman aus zehn Fuß Höhe durch ein Loch in der
Ostwand der Tenne, nicht ohne, kurz bevor sie sprangen, einen Heuhaufen vor
besagtes Loch zu schieben, auf dass die Öffnung zumindest von innen nicht
sofort entdeckt würde. Als schließlich Hauptmann von Stenweden, aufgeschreckt
durch den Lärm, in Begleitung des Bauern und eines Großteils seiner Männer, die
Scheune betrat und sah, wie Toepfer und einer seiner erfahrensten Soldaten von
einer Sau durchs Heu gejagt wurden, wusste er nicht recht, ob er lachen oder
weinen sollte. Doch da waren Robert und Osman bereits im Blätterwald des
Hagenwalls verschwunden.
Und da der Bauer die
Soldaten händeringend anflehte, seine arme Elsa zu verschonen, sich eben jene
arme Elsa allerdings nicht so rasch beruhigen ließ, sollte noch eine Weile
vergehen, bis schließlich, natürlich wieder einmal Hanns das Loch in der
Scheunenwand entdeckte.
*
»Du siehst, wir
werden keine Ruhe vor den Soldaten finden, bis wir Albert aufgespürt haben!«
»Dann sei’s drum, lass uns den
Mönch im Sankt Pauls suchen gehen. Doch nur unter einer Bedingung!«
»Himmeldonnerwetter, was denn nun
noch?«, fragte Robert ungehalten.
»Wenn wir schon ins
Kloster gehen, lass uns unsere Kleider holen, ich möchte endlich raus aus
dieser albernen Kutte!«
»Wenn’s weiter nichts ist«,
grinste Robert zurück, gerade, als sie zum zweiten Mal am heutigen Tage auf den
Hellweg trafen. Nun allerdings überquerten sie ihn nicht, sondern gingen ein
Stück ihres Weges auf ihm, westwärts in Richtung Stadt.
Und während sie
weitermarschierten, stumm und innerlich Kräfte sammelnd für das, was
unweigerlich folgen musste, entsann sich Robert nochmals der Ereignisse der
letzten Tage. Viel war geschehen, seit sie vor gerade einmal zwei Tagen durchs
Almstor geritten waren. Wegen eines simplen Essbestecks hatte man sie der
Teufelsanbetung bezichtigt, sie wurden brutal niedergeschlagen und mussten sich
darüber hinaus mit den Männern der Stadtwache prügeln, er selbst wäre von wild
gewordenen Rindviechern beinahe zu Tode getrampelt worden und im Kloakengraben
hätten sie überdies beide um ein Haar ein äußerst unrühmliches Ende gefunden.
Und nun, anstatt ihr Heil in der Flucht zu suchen, begaben sie sich geradewegs
in die Höhle des Löwen – wenn sich ihr vager Verdacht überhaupt bewahrheiten
sollte.
Dennoch, es gab für
Robert keine andere Wahl als eben diesen Weg zu gehen: Zum einen fühlte er sich
Albert gegenüber verpflichtet wegen der guten Worte, die er für ihn und seinen
Freund Osman eingelegt hatte, als man sie der Teufelei bezichtigte, zum anderen
mochte er den Mönch vom ersten Moment an, da er sich ihrer so gutherzig annahm.
Und irgendwie fühlte Robert, dass dieser Mann, den man bereits Albertus Magnus,
also Albert den Großen nannte, der Welt noch viel zu geben und diese Welt noch
viel von ihm zu erwarten hatte. Er konnte ihn unmöglich seinem Schicksal
überlassen.
»Was macht deine Rippe? Quält sie
dich immer
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