Das Geheimnis des Himmels
kaiserlichen Hof. Das könnte für uns vorteilhaft sein, denn er wird alles daransetzen, um seinen Leumund so gut wie möglich zu erhalten.“
„Das kann sich aber auch gegen uns wenden“, gab Friedrich zu bedenken. „Wenn er uns nicht vorlässt, haben wir keine andereMöglichkeit, deinem Gatten zu helfen. Erstürmen können wir dieses Gemäuer nicht.“
„Ich hoffe doch, allerdings nicht mit Gewalt. Zunächst einmal glaube ich nicht, dass der Graf uns abweist. Er muss erst erkennen, wen er da vor sich hat. Und da er den Namen Bernhardstein noch nie gehört hat, wird er sich, so meine Hoffnung, erst einmal Klarheit verschaffen wollen.“
Friedrich von der Aue pfiff leise durch die Zähne. „Du legst einen Mut und eine Entschlossenheit an den Tag, dass es einem schon unheimlich werden kann.“
„Willst du deinen Entschluss, mich zur Schwiegermutter zu erwählen, noch einmal überdenken?“
„Sicher nicht, aber ich fürchte, es wird noch eine Weile dauern, bis dieser glückliche Umstand eintreten wird.“
Der Knecht kam schnaufend zum Wagen zurück. „Ihr habt heute außergewöhnlich viel Glück. Der Graf lässt bitten – Ihr könnt das Tor passieren. Euer Knecht kann in der Wachstube so lange auf Euch warten, bis die Audienz beendet ist. Ihr folgt mir dann zum Grafen.“
Friedrich entging nicht, wie sich für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln in Elisabeths Gesicht zeigte. Dann stieg er auf und lenkte den Wagen in den Innenhof.
Während er sich in der Wachstube aufwärmte, begleitete der Knecht Elisabeth, die heute ihre beste Garderobe trug, bis zu einer Doppeltür. Er klopfte.
„Herein!“
„Mein Herr, die Gräfin Bernhardstein.“
Der Graf hatte sich von seinem Platz erhoben. „Tretet ein, gnädige Frau!“
Elisabeth Bernhardi versuchte, so souverän wie möglich zu wirken. Hier also wohnt die Bestie, die meinen Mann gefangen hält, dachte sie. Dann trat sie ans andere Ende des Tisches, wo der überraschte Graf seinen Gast ausgiebig fixierte.
„Wer seid Ihr? Ich habe Euren Namen zu meinem großen Bedauern noch nicht gehört.“
„Das könnt Ihr auch nicht. Denn verzeiht … Unter meinem richtigen Namen hättet Ihr mich nicht eingelassen.“
Die Gesichtszüge des Grafen versteinerten sich. „So erdreistet Ihr Euch, unter falschen Angaben vor mir zu erscheinen! Wer seid Ihr dann?“
„Elisabeth Bernhardi.“
Für einen Moment war der Graf in Gefahr, die Fassung zu verlieren. Erst nach einigen Augenblicken hatte er die Beherrschung zurückgewonnen. „Was wollt Ihr von mir und warum betreibt Ihr dieses Komödienspiel?“
Elisabeth lächelte herausfordernd. „Ihr wisst, wer ich bin, auch wenn Ihr mich noch nie gesehen habt. Immerhin habt Ihr die Ehre, meinen geliebten Mann unter fadenscheinigen Vorwänden und vermutlich unter äußerst unangenehmen Begleiterscheinungen hier zu beherbergen.“
„Wie kommt Ihr auf eine solche ungeheure Behauptung? Ich kenne weder Euren Mann noch Euch!“
„Graf Hohenstein. Ich habe meine Maske fallen lassen und spiele mit offenen Karten. Seid ein Mann und tut dasselbe. Nicht nur ich weiß, dass Ihr Leonhard Bernhardi in Haft haltet. Wollt Ihr endlich das Possenspiel beenden?“
Otto von Hohenstein war wütend und beeindruckt zugleich. So eine Frau war ihm noch nicht begegnet. Elisabeth Bernhardi war trotz ihrer vierzig Jahre noch von einer natürlichen, kühlen Schönheit, die ihn faszinierte, ohne dass er es zugeben mochte.
Da er schwieg, sprach Elisabeth einfach weiter. „Ich deute Euer Zögern als Einsicht in die Tatsache, dass Ihr Euch, aus welchen Gründen auch immer, zu dem Büttel einer Einrichtung gemacht habt, die beabsichtigt, das zu vernichten, was mein Mann unter großen Mühen ans Tageslicht gebracht hat. Wenn Ihr das zulasst, seid Ihr nicht nur Mittäter bei einemVerbrechen gegen einen Unschuldigen, nein, Ihr macht Euch auch schuldig, die Wahrheit zu unterdrücken. Das könnt Ihr zwar tun, aber ich schwöre Euch, dann schreien die Steine!“
Der Graf rang um seine Fassung. Er wusste nicht warum, aber das Auftreten dieser Frau hatte ihn bis ins Innerste getroffen. Es war ihm, als ob seine ganze Existenz, die immer aus Taktieren in höchster Vollendung bestanden hatte, in einem neuen Licht erschien. Und das, was da erhellt wurde, war alles andere als schmeichelhaft für ihn.
„Woher wisst Ihr vom Aufenthaltsort des Gefangenen?“
„Ich weiß es, das muss Euch genügen. Und nicht nur ich bin in Kenntnis gesetzt. Es nützt
Weitere Kostenlose Bücher