Das Geheimnis des Himmels
wissen?“
„Nein, jetzt noch nicht. Ich fürchte, es wird schon schwer genug, meine Freunde zu überzeugen, auch wenn sie für einen Spaß sicherlich zu haben sind. Allerdings wird es nicht ungefährlich sein. Deshalb überlass jetzt alles Weitere mir. Ich habe noch viel vorzubereiten … Ach, noch etwas: Besitzt du gewisse Dinge, die die Frauenzimmer für ihre Schönheit benutzen?“
„Wie bitte?“
„Ich meine Puder, Pulver, Farbe und dergleichen, mit denen sich die Weiber herauszuputzen pflegen.“
„Ich kann so etwas besorgen. Willst du die Landsknechte vielleicht durch Liebesdienerinnen von ihrer Aufgabe ablenken?“
„Nicht ganz. Es gibt etwas, das den Verstand genauso schwinden lässt wie die Minne.“
„Du denkst dabei hoffentlich nicht an Barbara. Was ist es also, das genauso unberechenbar ist wie die Liebe?“
„Die Angst.“
38
Leonhard Bernhardi wäre wieder eingedöst, wenn die Ketten an seinem Handgelenk ihm nicht ständige Schmerzen bereitet hätten. Plötzlich hörte er, wie mehrere Personen die Treppe zu seinem Verlies herunterpolterten.
„Öffnet!“ Ein kräftiger und gar nicht mehr junger Mann, dessen Stimme erkennen ließ, dass er das Befehlen gewohnt war, trieb den Knecht des Grafen zur Eile an.
Eingeschüchtert fand dieser endlich den richtigen Schlüssel und öffnete die vergitterte Tür. Während die sechs in Landsknechtuniformengekleideten Wachen vor der Tür warteten, trat der Anführer in die Zelle und baute sich vor Bernhardi auf.
„Seid Ihr gekommen, mir einen guten Morgen zu wünschen? Verzeiht, wenn ich Euch nicht standesgemäß begrüßen kann, aber wie Ihr seht, bin ich in meiner Beweglichkeit zurzeit etwas eingeschränkt.“ Bernhardi wusste selbst nicht, woher sein leiser Anflug von Ironie kam. Er war sich im Klaren darüber, dass seine Zeit abgelaufen war.
Der Anführer des Bewachungstrupps sah mitleidig auf ihn herab. „Und vor so jemand soll die Welt sich fürchten?“ Kopfschüttelnd überprüfte er die Ketten. „Macht ihn los!“
Als der Knecht die Fesseln gelöst hatte, wollte der Landsknecht ihn erneut fesseln, um ihn abführen zu können. Aber Bernhardi sank sofort in sich zusammen, zu gefühllos waren seine Gliedmaßen geworden. Der Anführer winkte kurz seinen Leuten, von denen zwei in die Zelle kamen und Bernhardi an den Armen packten. Seine Hände wurden auf dem Rücken gebunden. Er wehrte sich nicht.
Die Treppe hoch musste Bernhardi fast getragen werden. Oben angekommen, führten sie ihn auf den Hof, wo ein zweispänniger Wagen bereitstand. Der Anführer des Transports stieg auf den Kutschbock – sein Kampfschwert lag griffbereit neben ihm. An seinem Gürtel steckte ein halblanger Dolch, der im Nahkampf eine furchtbare Waffe sein konnte. Neben ihm nahm ein weiterer Begleiter Platz, während sich die fünf anderen auf ihre Pferde schwangen.
„Los!“
Zuerst setzten sich drei Reiter vor dem Wagen in Bewegung, dann folgten der Wagen und die beiden anderen. Otto von Hohenstein beobachtete vom Fenster aus, wie sich der Trupp in Richtung Wald auf den Weg machte. Fast hätte er sich gewünscht, dass Bernhardis Frau doch noch einen Weg gefunden hätte, ihren Mann aus dieser Lage zu befreien. Andererseitsblieb ihm noch die Unsicherheit, ob diese ungesetzliche Hinrichtung nicht irgendwelche Folgen hatte. Wer weiß, wie weit Elisabeth Bernhardi die Öffentlichkeit für sich gewinnen konnte. Aber das war ja eher ein Problem der großen Hüterin – und nicht mehr seins.
Eine Stunde waren sie schon den Hohlweg entlanggefahren. Der Anführer des Trupps schaute sich nach einer geeigneten Stelle um, an der er seinen Gefangenen endlich beseitigen könnte. Da hörten sie plötzlich Stimmen, die lauter wurden – es musste sich um eine Schar Männer handeln. Weil der Weg eine Biegung machte, konnte man sie allerdings noch nicht sehen.
„Achtung!“
Sofort griffen alle zu den Waffen. Allerdings sahen sie keinen Anlass zur Besorgnis, denn für einen Überfall verhielten sich die Unbekannten viel zu auffällig. Was den Anführer stutzig machte, war die Tatsache, dass es sich bei den Stimmen nicht um aggressives Geschrei, sondern um Klagen handelte. Und dann sah man sie … Den vorderen Reitern gefror das Blut in den Adern.
In schwarze Lumpen gekleidet und mit halb ins Gesicht gezogenen Kapuzen, die aber dennoch die furchtbaren Eiterbeulen nicht verbergen konnten, näherte sich ihnen ein gutes Dutzend Männer. Sie hielten die Hände erhoben, geifernd und
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