Das Geheimnis Des Kalligraphen
ausrüsten.
»Hören Sie, mein Chef hat eine Schule für Kalligraphie unterstützt und kein Bordell«, erwiderte Taufiq hochnäsig, um seine Angst zu überspielen.
»Wir meinen aber, diese Kalligraphie ist nur ein Mantel, um das Werk des Teufels zu verdecken. Und ich bin nicht gekommen, um mit dir oder mit ihm zu diskutieren, sondern um eine Warnung zu hinterlassen«,erwiderte der Mann plötzlich doch erregt, drehte sich um und ging.
Taufiq stand zitternd in seinem Büro und musste den Auftritt des Fanatikers erst einmal verkraften. Dann atmete er tief durch und rief Nassri an. Dieser war bester Laune.
»Die sollen sich zum Teufel scheren und sich lieber duschen und rasieren. Wenn Kalligraphie Gotteslästerung und Teufelswerk ist, so gibt es nichts mehr, was noch für Gott steht«, sagte er.
Taufiq nickte. Sein altes Misstrauen aber erwachte erneut, sobald er aufgelegt hatte, und er erinnerte sich an einen Spruch des verstorbenen Vaters: »Diesen Nassri kannst du nicht fünf Minuten aus den Augen lassen, und schon schwängert er eine Frau oder reitet sein Geschäft in den Ruin.«
Lange dachte der treue Mitarbeiter darüber nach, wie er das Unheil von seinem Herrn abwenden könnte. Er telefonierte mit Islamgelehrten, Professoren, liberalen wie konservativen Journalisten, und alle lachten über seine Angst und bestätigten ihm, Kalligraphie sei die höchste Kunst, die die arabische Kultur hervorgebracht habe. »Und nun wollen diese Barbaren uns auch noch das göttliche Spiel der Buchstaben als Werk des Teufels verbieten«, zürnte Mamduh Burhan, Chefredakteur der konservativen Zeitung »al Aijam«, »sie sind ohnehin feindselig gegen alle Freuden des Lebens und insofern antiislamisch. Unser Prophet, Gott segne seine Seele, war ein Mann der sinnlichen Genüsse«, schloss er seine Rede.
Nur einer gab eine Antwort, die über eine bloße Beruhigung hinausging. Es war Habib Kahale, der erfahrene Journalist und Chefredakteur der Satirezeitschrift »al Mudhik al Mubki«: »Nicht die Schrift oder die Kalligraphie«, sagte der elegante Mann, »sondern – wie ich hörte – die geheimen Pläne des Kalligraphen beunruhigen die Fanatiker, und wenn dem so ist, brauchen Sie keine Sorge um Nassri Abbani zu haben. Hamid Farsi ist ihre Zielscheibe.«
Er empfahl Taufiq, den verrückten Fanatiker zu vergessen, doch die toten Augen des Bärtigen verfolgten Taufiq bis in den Traum.
Im Gegensatz zu ihm vergaß Nassri Abbani das Telefonat augenblicklich, er nahm den süßen Nachtisch zu sich, trank einen Kaffee und stieg zu seinem Zimmer im ersten Stockwerk hinauf.
Aus seiner Aktentasche zog er eine Mappe, öffnete sie, und vor ihm lag der zweiseitige Brief. Ein Kunstwerk. Die Beschreibung der Frau war perfekt. Und wenn man die Augen zusammenkniff, verwandelten sich die Zeilen in eine lodernde Flamme.
Welch göttliche Schrift! Nassri musste sich überwinden, um dieses herrliche Papier zu falten. Die Knicke kamen ihm brutal vor, aber er machte es genau so, dass die Papierkante auf die mittlere Falte traf. Er nahm die schwere Goldmünze, die er in der Goldschmiedestraße nahe der Omaijaden-Moschee gekauft hatte, legte sie genau auf den Mittelpunkt des entstandenen Streifens und befestigte sie locker mit Kleber. Er schüttelte den Streifen mehrmals, die Münze war fest. Er stieg auf das Bett, hielt den Streifen hoch und ließ ihn fallen. Der Streifen rotierte wie ein Propeller fast senkrecht zu Boden.
Nun wartete er geduldig, bis seine Schwiegermutter das Geschirr gespült und die Küche aufgeräumt hatte. Nach einer Ewigkeit legte auch sie sich hin. Er wusste, Almas schnarchte längst neben ihrer Tochter Nariman, die ihr Tag für Tag ähnlicher wurde.
Es war stiller als auf einem Friedhof, als Nassri langsam zur Holzleiter ging, vorsichtig und geräuschlos hinaufstieg und schnell die Mansardentür hinter sich schloss.
Draußen legte die Sonne einen hellen Teppich über die Stadt. Es war angenehm warm, doch in der Mansarde hielt sich noch die Kälte der Nacht. Nassri zitterte und näherte sich dem Fenster. Er warf einen Blick auf den Hof hinunter, in dem die Frau sich in einem großen Stuhl am Brunnen sonnte. Sie las. Als er das Fenster aufstieß, schaute sie herauf und lächelte. Nassri hätte sterben können vor Glück. Er grüßte sie mit einem Nicken und zeigte ihr das Papier. Der Wind war nun still. Er ließ den Streifen hinuntersegeln und sah das Staunen auf dem Gesicht der Frau. Sie lachte und legte sich die Hand auf
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