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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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den Wagen verlor.
    Eine Woche später hatte Asmahan ihren ersten Liebhaber. Auf einem Empfang beim damaligen Kultusminister Fuad Schajeb wurde sie von den Frauen beneidet und von den mächtigsten Männern umschwärmt. Sie brauchte nur zu wählen.
    Sie genoss den Champagner und beobachtete die Gockel, die ihr wie kleine Jungen vorkamen, eitel, kopflos und unzuverlässig. Und sie sah, wie ihr arroganter Mann plötzlich vor dem Gesundheitsminister klein und bucklig wurde, und dieser vor dem Ministerpräsidenten, und dieser wiederum vor dem Armeechef, einem Zwerg mit roter vernarbter Riesennase, geschmückt und behangen mit bunten Orden und Firlefanz, die ein blechernes Geräusch von sich gaben, wenn der Zwerg sich bewegte. Er ähnelte dem Affen, den Asmahan als kleines Mädchen auf einem Jahrmarkt erlebt hatte. Der Affe trug damals eine übertrieben geschmückte Napoleonuniform und konnte sich auf einen Wink aufrichten, salutieren und dabei grässlich grinsen.
    »Einer dieser Affen wird schon dafür sorgen, dass dir das Lachen noch vergeht«, flüsterte Asmahan bei sich, als ihr Mann wieder einmal laut auflachte. Sie lächelte den Gastgeber an, einen kleinen charmanten Mann aus dem christlichen Dorf Malula. Er war mit großem Wissen und schöner Sprache bedacht. Er gefiel ihr, aber er war viel zu kultiviert und zugleich zu machtlos für die Aufgabe, die Asmahan ihrem zukünftigen Liebhaber geschneidert hatte. Der einzige, der in Frage kam, war ein Mann, der an diesem Abend noch lauter und noch primitiver lachte als ihr Ehemann, nämlich der Innenminister Said Badrachan. Er war ein verwegener Abenteurer, entstammte einer der reichsten Familien des Nordens und verhielt sich entsprechend.
    Er war derjenige, der ihren Mann wie eine Schachfigur wegfegen konnte. Und so geschah es auch. Ein halbes Jahr später wusste alle Welt von der Affäre. Ihr Mann willigte in die Scheidung ein, um einen noch größeren Skandal zu vermeiden. Der Innenminister ließ ihn wissen, dass er, sollte er Asmahan auch nur ein Haar krümmen, seine Leichen in Zukunft nicht mehr sezieren könne, weil er dann selber eine sei.
    Sie zog aus und bekam von ihrem Liebhaber das kleine Haus nahe dem Parlament geschenkt. Zwei Monate später kam Said Badrachan bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Fest stand, dass die Bremsleitung manipuliert worden war. Die Unterlagen verschwanden und die Regierung reagierte nicht mehr auf die Gerüchte, er sei auf Geheiß des Präsidenten umgebracht worden, weil er im Innenministerium eine Akte über die Bestechlichkeit, die Verfehlungen und Ausschweifungen des ersten Mannes im Staate angelegt hatte. Seine Witwe aber ließ durch einen Journalisten verbreiten, die Liebesaffäre mit einer jungen Hure habe ihn das Leben gekostet. Der Exmann habe Killer angeheuert, um seine Ehre zu rächen.
    Asmahan ließ der ganze Rummel kalt, und ob Zufall oder nicht, genau am Tag der Beerdigung schlief sie zum ersten Mal gegen Geld mit einem Mann. Er war Abgeordneter und sehr großzügig. Er war es auch, der ihr den Rat gab, nie eine feste Summe zu verlangen: »Schau dich in der Welt um, edle Waren haben in den Schaufenstern nie Preisschilder. Sei wählerisch und klug bei der Auswahl deiner Freier und sie werden kommen und dich mehr als gut belohnen, wenn sie zufrieden sind.«
    Die Worte des Abgeordneten sollten sich als Prophezeiung erweisen. Bald konnte sich Asmahan vor Freiern der feinsten Klasse kaum noch retten. Man sagte später von ihr, sie habe in einer Woche mehr Geld eingenommen als der Ministerpräsident im Monat oder ein Gymnasiallehrer im Jahr, und Asmahan legte das Geld klug an.
     
    Drei Monate nach ihrer Scheidung betrat Nassri ihren Salon, und von Anfang an war er ein besonderer Mann. Er war mit allen Wassern gewaschen und kannte die halbe Stadt über und unter der Erde, wie er ihr einmal im Scherz sagte. Nassri war verschwenderisch, großzügig und hatte einen feinen Geschmack. Lange hatte Asmahan widerstanden, ihm Gefühle oder Regungen zu zeigen, aber Nassris Briefe mit den Kalligraphien schlugen hohe Wellen, die ihren Damm zum Einsturz brachten.
    Sie vergaß ihren Schwur, niemals und niemanden zu lieben, und verliebte sich nach dem dritten, vierten Brief rettungslos in ihn. Undgenau diese Briefe, die sie beschwingten und ihr ein federleichtes Gefühl vermittelten, machten ihr das Leben schwer. Sie konnte nicht mehr gelassen in den Armen der anderen Männer liegen. Sie setzte ein maskenhaftes Lächeln auf, aber einige

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