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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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undurchsichtigen Mannes mehr eingehen. Lieber wollte er hungern, als noch einmal sein Café aufzusuchen. Nächtelang lag Salman wach im Bett. Nicht nur seine Enttäuschung über Karam raubte ihm den Schlaf, ein Gedanke quälte ihn zudem besonders: Konnte es sein, dass Karam so bösartig war, ihn von Anfang an zu missbrauchen, als Spion gegen Hamid Farsi und als Liebhaber von dessen Frau? War das die Dankbarkeit für die Errettung vor dem Ertrinken? Karam hatte oft gezeigt, dass er nichts von Dankbarkeit hielt. Er hinterging jeden und schmeichelte jedem. Und was, wenn er ihn gezielt auf Nura angesetzt hatte? Würde das seine, Salmans, Liebe trüben? Er konnte keine Antwort finden, aber er beschloss, Nura alles zu erzählen, genau so durcheinander, wie es in seinem Kopf brodelte. Sarah hatte einmal zu ihm gesagt, das Verschweigen in der Liebe sei der erste Riss, der unbemerkt bei jedem weiteren Verschweigen wachse, bis die Liebe in Scherben zerbreche.
    Aber jetzt musste er erst einmal Karam gegenüber den Arglosen mimen, bis er seine Hefte in Sicherheit gebracht hatte. In den ersten beiden Heften hatte Salman all seine Erfahrung in Hamids Atelier aufgeschrieben, Technik, Ratschläge des Meisters, Tintenherstellung, Zusammensetzung und Geheimnis der Farben und die Korrekturtricks. Aber vor allem das dritte Heft lag ihm am Herzen. In diesem Heft hatte ihm Nura die Antworten auf seine Fragen aufgeschrieben, die er – ermuntert durch die Informationen über Ibn Muqla – immer wieder gestellt hatte. Nura war dankbar für diese Aufgaben. Nicht nur, weil die Bibliothek ihres Mannes ihr die Suche erleichterte, sondern vor allem, weil damit die Zeit schnell verflog. Und Salman war einer, der gierig und dankbar alles hörte, was sie über berühmte Kalligraphen und Kalligraphinnen der Geschichte und über die Geheimnisse der alten Meister zu berichten hatte. Er küsste ihr danach jede Fingerkuppe undihre Ohrläppchen so zärtlich, dass sie es manchmal nicht aushielt, sich über ihn warf und ihn leidenschaftlich liebte.
    »Bei einer solchen Lehrerin kann man nicht genug Fragen stellen«, sagte er ihr einmal.
     
    Es war kurz vor halb zwei, als Salman seine Wohnung erreichte. Er öffnete Fenster und Türen, kehrte, wischte den Boden mit einem feuchten Tuch, stellte einen Teller mit frischen Keksen auf den Tisch und bereitete das Wasser für einen besonders guten Tee, den er beim besten Teehändler auf der Geraden Straße, schräg gegenüber dem Eingang zum Suk al Busurije, dem Gewürzmarkt, gekauft hatte.
    Nuras Herz schlug heftig, als sie durch das Tor in den Gnadenhof trat und Salman sah. Er stand an die Tür seiner Wohnung gelehnt auf der linken Seite des großen Rechtecks, das der ärmliche Gnadenhof bildete.
    Er lächelte und ging ihr entgegen, begrüßte sie offiziell und zurückhaltend und begleitete sie bis zur Haustür, wo er ihr, wie es Sitte war, den Vortritt ließ.
    Sie staunte über die Frische der Wohnung und die penible Ordnung. Er las ihren Blick richtig.
    »Zwei Stunden vormittags und eine Viertelstunde nachmittags«, schmunzelte er. Sie legte ihren Mantel ab und er war fasziniert von ihrem neuen Kleid aus Baumwolle: »Du bist so schön wie die Frauen in den Modezeitschriften«, sagte er und umarmte sie zärtlich. Sie wollte sich für das Kompliment bedanken, da sie das neue Kleid selbst genäht hatte, aber ihre Lippen fanden eine bessere Beschäftigung. Sie saugten sich an ihm fest und ließen ihn erst los, als sie nackt und verschwitzt neben ihm im Bett zu sich kam. »Schließt du die Tür nicht ab?«, fragte sie ziemlich spät.
    »Niemand schließt die Türen in dieser Gasse ab und niemandem fehlte bisher etwas.«
    Als sie beide wieder hergerichtet am Küchentisch saßen und Tee tranken, sah sie ihn lange nachdenklich an: »Ich will mit dir aus Damaskus verschwinden«, sagte sie schließlich. »Seitdem ich dich liebe, kann ich ihn immer weniger ertragen. Hier haben wir keine Chance.Er wird uns umbringen. Aber wir finden bestimmt einen Ort, wo wir leben und uns ungestört Tag und Nacht lieben können.« Sie lächelte über ihre eigene Naivität. »Natürlich erst, nachdem wir unser tägliches Brot verdient haben. Ich mit der Schneiderei und du mit der Kalligraphie.«
    Salman schwieg, fast erschrocken vor der Schönheit des Traumes, den Nura gerade mit wenigen Worten geschildert hatte.
    »Und sollten sie mich erwischen«, fuhr sie in der Stille fort, »dann bedauere ich es nicht, wenn ich nur bis dahin eine

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