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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Block erstarrte. Ein Stück davon in Wasser gelöst ergab eine außerordentlich schwarze Tinte.
    Bald schon sprach sich die hohe Qualität herum und alle Kalligraphen, die etwas auf sich hielten, gaben ihre Bestellungen auf. Meister Serani gefiel das gar nicht. »Wir werden langsam zu einer Tintenfabrik«, brummte er.
    Als Hamid sein eigenes Atelier besaß, betrieb er die Produktion von schönem Schwarz in großem Stil.
    Die Herstellung der schwarzen Tinte war aufwendig, aber im Gegensatz zu den giftigen Farben harmlos. Viele Kalligraphen starben sehr jung, ohne zu ahnen, dass sie sich an den Mineralien, aus denen sie die Farben herstellten, vergiftet hatten. Hamid musste an seinen Mitarbeiter Radi denken, der immer alle Mahnungen in den Wind geschlagen und dann mit dem Leben bezahlt hatte.
     
    Als Maha, seine erste Frau, noch lebte, kam er oft erschlagen vor Müdigkeit nach Hause, stinkend und mit einem von Ruß verschmutzten Gesicht. Seine Frau hasste den Gestank, der in seinem Schlepptau insHaus kam, und suchte immer häufiger einen Grund, um nicht mit ihm ins Bett gehen zu müssen.
    Auch als er sich selbständig machte und durch einen großen Auftrag der orthodoxen Kirche das schöne Haus von Ehud Malaki, einem reichen Juden, kaufen konnte, brachte das keine Besserung ihrer Laune. Maha lobte das Haus nicht mit einem Wort.
    Auch ihretwegen hatte er nicht im Kalligraphenviertel al Bahssa seinen Laden eröffnet, sondern sich für die allerschönste Straße im Suk-Saruja-Viertel entschieden, wo nur die Wohlhabenden wohnten. Die Damaszener nannten diese elegante Gegend Klein-Istanbul, aber Maha wollte den Laden nicht einmal sehen, auch betreten hat sie ihn nie.
    Er hörte – ihr zuliebe – auf, mit Farben zu experimentieren und kam abends zurück, wie er morgens aus dem Haus ging, elegant und parfümiert. Doch es half alles nichts. Seine Frau wurde immer düsterer und zog sich immer mehr zurück. Ein Jahr lang duldete er ihre Widerspenstigkeit, dann aber, als sie sich wieder einmal weigerte, im Bett ihre Pflicht zu tun, schlug er sie.
    Etwa zwei Jahre nach der Hochzeit wurde sie schwer krank, nahm rapide ab und bekam einen eitrigen Hautausschlag am ganzen Körper. Die Nachbarn begannen zu tuscheln, die Frau sei durch die Gifte der Farben krank geworden, die Hamid im Keller in schwarzen Dosen aufbewahrte.
    Das Leben in seinem Haus wurde zur Hölle. Er bekam Angst, dass sie ihn vergiften würde, doch sie wollte ihn nicht töten. Sie beneidete die Lebenden nicht. Ihre Rache war, das flüsterte sie heiser auf dem Sterbebett, ihm ein langes Leben zu wünschen.
    Zunächst hatte er sich schuldig gefühlt, doch dann begann er seine Freiheit und die absolute Ruhe im Haus zu genießen.
    Trauerte er ihr nach? Er erschrak, als er nun auf der Pritsche liegend seine Stimme hörte: »Keine Sekunde lang.«
    Von nun an lebte er allein in seinem schönen Haus, wollte nie wieder heiraten. Er interessierte sich weder für Kundinnen noch für einsame Nachbarinnen, die immer wieder wegen irgendetwas bei ihm anklopften. Er wusste genau, warum sie anklopften, und behandelte sie dementsprechend mürrisch.
     
    Und dann kam eines Tages einer seiner reichsten Kunden, Munir al Azm. Er habe über seine Schwester erfahren, dass die Tochter des berühmten, aber armen Gelehrten Rami Arabi eine Ausnahme unter den Frauen sei. Sie könne lesen und schreiben, besser als viele Männer, sei sehr schön und gut erzogen. Er hätte sie gern zur fünften Frau genommen, aber ihr Vater lehnte es ab, weil seine Tochter das Herz ihres Mannes allein besitzen wolle.
    Hamid Farsi schaute kaum von seiner Arbeit auf. »Ich muss einen Monat warten, bis meine Tante aus Saudi-Arabien kommt und sie besichtigt, dann werden wir sehen«, sagte er im Scherz.
    »Komm uns doch besuchen. Ich werde meine Schwester dazu bringen, die Kleine einzuladen«, bot der freundliche Mann an, aber Hamid schüttelte nur den Kopf. Er hatte anderes zu tun.
    Kurz darauf erkältete sich Hamid. Er bekam Fieber, konnte sich kaum bewegen und vermisste eine Hand, die ihm half. Sein Haushalt geriet durcheinander, und er musste eine alte Nachbarin bitten, das Notwendige für ihn zu kochen, zu waschen und die vielen Blumen zu versorgen.
    In der Nacht fühlte er sich zunehmend einsam, das leere Haus ängstigte ihn, und im Widerhall seiner Schritte wurde seine Einsamkeit noch stärker. Sein Verlangen nach Frauen zwang ihn, nach der Genesung eine Hure aufzusuchen. Doch er ekelte sich, als er dort dem

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