Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
ich lebe, sollen mir die Namen James Henson oder Charles Wayne über die Lippen kommen. Und niemals werde ich dir einen Vorwurf daraus machen, dass du es deinem Kind vorenthältst. Weil ich weiß, dass du es nur aus einem Grund machst: um es zu schützen. Lass uns fortan eine kleine glückliche Familie ohne diese Schatten der Vergangenheit sein.«
Antonia war so gerührt, dass sie einfach aufsprang und ihn stürmisch umarmte.
»Du bist ein Schatz«, flötete sie. Als er sie auf seinen Schoß ziehen wollte, zuckte sie merklich zurück und flüchtete auf ihren Stuhl.
Eine ganze Weile schwiegen die beiden. Antonia ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, der schließlich bei den beiden Betten hängen blieb. Ob er wohl von mir erwartet, dass ich ihn unter meine Decke lasse?, grübelte Antonia, und der Gedanke daran behagte ihr ganz und gar nicht.
»Ich habe Zeit«, sagte Arthur leise. »Viel Zeit. Es ist deine Entscheidung, ob du zu mir kommst. Ob es heute, morgen oder erst im nächsten Jahr ist oder ob du es niemals tust, ich werde dich nicht dazu drängen, dich mir hinzugeben. Ich wünsche mir zwar nichts sehnlicher als das, denn ich sehe dich mit den Augen eines Mannes und nicht eines väterlichen Freundes, aber ich verlange, dass du mir deutlich zeigst, wenn du es eines Tages von ganzem Herzen möchtest. Und bitte mache es niemals aus Dankbarkeit oder Mitgefühl. Glaube mir, ich bin ein erfahrener Mann und weiß, wann eine Frau mit ihrer ganzen Seele dabei ist ...«
»Ich verspreche es dir«, erwiderte Antonia sichtlich bewegt. Ihre Gedanken überschlugen sich. Ihr Kind hatte einen Vater, den sie, Antonia, verehrte, schätzte und in dessen Gegenwart sie so etwas wie Glück empfand. Was wollte sie mehr? Doch kaum hatte sie sich dem wohligen Gefühl hingegeben, Arthur zu heiraten, als sie mit Macht die Sehnsucht nach James überkam.
Sie hoffte inständig, dass sie eines schönen Tages aufwachen und ihr ganzes Sehnen wie von Zauberhand verschwunden sein würde.
Dunedin, Anfang April 2009
Grace hatte sich die ganze Zeit, während Suzan ungefragt und hektisch mit der Geschichte fortfuhr, nicht vom Fleck gerührt. Sie stand wie betäubt da.
»Wer bist du?«, fragte sie mit bebender Stimme, als Suzan kurz Luft holte, um ihr unbeirrt die Geschichte von Antonia und Arthur weiterzuerzählen. »Was, verdammt noch mal, willst du damit sagen? Dass es auch meine Geschichte ist?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren. Hab Geduld. Ich komme schon noch zu der Geschichte deiner Eltern und vor allem zu dir.«
Grace trat drohend einen Schritt auf Suzan zu. »Lass deine falschen Spielchen. Und sag mir endlich, was wir beide miteinander zu tun haben, wer meine Eltern sind, wo sie sind und ...«
»Ich bin auf dem besten Weg, aber du hast mich ja unterbrochen ...« Suzan machte Anstalten, ungerührt weiterzumachen, aber Grace fuhr ihr schroff über den Mund.
»Hör endlich auf damit! Wenn du mir nicht die Wahrheit sagen willst, dann werde ich sie eben allein herausfinden!«, fauchte sie wütend und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, Suzans Büro. Mit klopfendem Herzen rannte sie nach oben in ihr Zimmer und warf wahllos ihre Sachen in den Koffer. Wenn sie auch sonst nicht wusste, wie es weitergehen sollte, eines aber wusste sie genau: Dieses Haus würde sie schnellstens und auf Nimmerwiedersehen verlassen!
Als sie mit dem Packen der Kleidung fertig war, machte sie sich am Schreibtisch zu schaffen. Überall hatte sie ihre Notizen für das Buch verstreut. Es gibt kein Buch, dachte sie zornig und wollte ihre Zettel schon in den Papierkorb werfen, doch dann zögerte sie. Natürlich werde ich ein Buch über den Moa schreiben, dachte sie wütend, aber ohne Professorin Suzan Almond!
Grace sammelte die Zettel, die auf dem Schreibtisch lagen, hastig ein und verstaute sie ebenso wie ihren Laptop in der Computertasche. Dann schnappte sie sich ihren Koffer und stolperte die Treppe hinunter. Sie betete, dass ihr bloß Suzan nicht begegnen würde.
Grace hatte Glück. Sie kam ungesehen in der Diele an, doch ihre Freude war nur von kurzer Dauer, denn Suzan kam gerade in diesem Moment aus ihrem Büro. Sie war leichenblass und sah uralt aus. Wenn sie mir nicht so übel mitgespielt hätte, sie könnte mir leidtun, dachte Grace und versuchte, Suzan zu ignorieren.
»Grace, bitte, ich hatte meine Gründe, dich so zu beschwindeln. Ich weiß, dass es nicht in Ordnung war, aber ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen,
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