Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
vor ihr über die Küstenstraße flitzte. An der Art und Weise, wie Moira die Kurven nahm, konnte Grace unschwer erkennen, dass sie diesen Weg häufig fuhr. Nach einer knappen halben Stunde erreichten sie einen kleinen Ort. Bluff stand auf dem Ortsschild. Grace hatte den Eindruck, nun tatsächlich am Ende der Welt angekommen zu sein, aber der Wagen durchquerte auch diese verschlafene Ortschaft und fuhr bis zu einem allein stehenden Haus, das wie ein kleiner Leuchtturm über dem Meer thronte. Grace war so fasziniert von der wilden Natur, in der sie sich wiederfand, dass sie fast versäumt hätte, ihren Wagen auf einem Sandstreifen neben der Straße anzuhalten und sich das Ganze erst einmal aus sicherer Entfernung zu betrachten. Sie war unsicher, ob sie sich gleich bemerkbar machen oder lieber warten sollte. Ihr war immer noch schlecht vor Aufregung bei dem Gedanken, ihre Mutter womöglich wirklich hier am Ende der Welt ausfindig gemacht zu haben.
Moira schleppte nun Tüte für Tüte in das malerische weißgetünchte Haus. Unschlüssig beobachtete Grace, wie sie den Kofferraum schloss und mit den letzten Tüten auf die Haustür zusteuerte. Da fasste sich Grace ein Herz und stolperte aus dem Wagen.
»Hallo!«, rief sie über die Straße weg. »Warten Sie, Miss Barclay!«
Erschrocken drehte sich Moira um und machte genau das gleiche abweisende Gesicht wie kürzlich ihre Schwester. Sie waren unverkennbar Zwillinge. Grace kam es so vor, als wäre es Maureen, die sie böse anfunkelte.
»Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?« Auch die raue Stimme war unverkennbar die von Maureen Barclay.
»Ich möchte zu Deborah Albee«, verlangte Grace mit kämpferischer Stimme. Dabei wurde ihr so übel, dass sie befürchtete, sich auf der Stelle übergeben zu müssen.
»Ich kenne keine Deborah Albee«, erwiderte Moira schwach. Ihr gesamtes burschikoses Auftreten fiel binnen Sekunden in sich zusammen. Sie wirkte schwach und ängstlich. Mit der einen Hand stützte sie sich am Wagen ab, die andere zitterte.
Grace aber blieb hart. »Das bezweifle ich. Natürlich hätte ich Sie auch fragen können, ob ich Alma sprechen kann, aber was soll das Versteckspiel? Ob Sie nun die Freundlichkeit besäßen, mich ins Haus zu bitten, damit ich mein Anliegen Deborah Albee selbst vorbringen kann?«
Moira war noch blasser geworden und baute sich mit ausgebreiteten Armen vor der Haustür auf.
»Nur über meine Leiche. Hauen Sie ab, wer Sie auch immer geschickt hat. War sie es?«
Grace zuckte mit den Schultern. »Ich weiß leider nicht, wen Sie meinen, aber mich hat keiner geschickt. Im Gegenteil, mich haben sie alle belogen, und Sie versuchen es auch gerade, aber ich lasse mich nicht abwimmeln. Nicht, bevor ich mit meiner Mutter gesprochen habe und weiß, warum meine Eltern mich an Ethan Cameron verkauft haben!«
»Um Himmels willen! Lieber Gott! Gott, nein ... ach ja, bis auf die Augen, der Mund, die Nase ... Ich ... ich ... Bitte, gehen Sie. Tun Sie sich und ihr das nicht an«, stammelte Moira.
Grace verschränkte angriffslustig ihre Arme vor der Brust und schwieg. Sie versuchte, die Fassung zu wahren, denn damit hatte sich ihr Verdacht endgültig bestätigt. Ihre Mutter wohnte hinter jener Tür und war zum Greifen nahe.
»Bitte, Sie dürfen nicht zu ihr. Das überlebt sie nicht.«
»Ach ja, sie überlebt es nicht? Und was ist mit mir? Sie wollen mir verbieten, durch jene Tür zu gehen, um das Geheimnis meiner Herkunft zu erfahren. Verlangen Sie da nicht ein bisschen viel?«
»Bitte, bitte, gehen Sie. Lassen Sie uns in Ruhe. Sie hat doch alles getan, damit Sie niemals erfahren, was geschehen ist. Hören Sie, das hat sie nur für Sie getan. Um Sie zu schützen.«
Grace lachte bitter. »Sie hat mich zu meinem Besten weggegeben? Das würde ich dann aber gern aus ihrem Mund hören, und ich bin gespannt darauf, wie sie mir diese Notwendigkeit erklären will. Und überhaupt, wer sind Sie eigentlich? Ihr Wachhund? Ach nein, Sie sind ja ihre gute Freundin«, bemerkte sie ironisch.
Moira wurde puterrot. »Das müssen Sie gar nicht so verächtlich sagen. Ja, ich bin ihre beste Freundin. Seit über fünfundzwanzig Jahren. Und ich dulde nicht, dass ihr wehgetan wird.«
»Wissen Sie was? Das interessiert mich gar nicht, was Sie dulden oder nicht. Deborah ist meine Mutter, und ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was damals geschehen ist.«
Moira kämpfte mit sich. »Gut, Sie sollen es erfahren, aber von mir, nicht von Ihrer Mutter.«
»Und warum
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