Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
ihrem Mietwagen den Highway 1 nach Norden zu nehmen, den Wagen erst am Flughafen in Auckland wieder abzugeben und endlich heimzufliegen. Ohne einen Blick zurückzuwerfen und ohne einen weiteren Gedanken an ihre dubiose Herkunft zu verschwenden.
Ihr Verdacht, schwanger zu sein, war zur Gewissheit geworden. Dazu brauchte sie nicht einmal einen Test. Ihre Regelblutung war ausgeblieben, ihre Brust spannte, ihr wurde andauernd schlecht und wegen jeder Kleinigkeit kamen ihr die Tränen. Sie war fester denn je entschlossen, Barry nichts davon zu verraten, sondern ihr Geheimnis mit nach Hause zu nehmen.
Es ist Wahnsinn, was ich hier treibe, dachte Grace trübsinnig, während sie in einer Regenpause erschöpft am Oreti Beach hockte und auf das graue Meer hinausblickte. Erstens wusste sie gar nicht, ob Moira Barclay wirklich mit ihrer Mutter zusammenlebte. Schließlich hatte Maureen Barclay ihr einen ganz anderen Namen genannt, doch ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es sich bei Alma und Deborah um ein und dieselbe Person handelte. Trotzdem, wie konnte sie sicher sein, dass die beiden hier in der Nähe lebten? Vielleicht handelte es sich bei den Postkarten aus Invercargill auch nur um eine Finte. Damit Maureen ihre Schwester irrtümlich hier im abgelegenen Süden vermutete.
Grace sog die frische Meeresluft bis in die Spitzen ihrer Lunge ein.
Und wenn Moira tatsächlich in Invercargill lebte, wie konnte sie sicher sein, sie zu erkennen, sollte sie ihr zufällig begegnen, wo sie diese Frau doch nur von einem alten Foto her kannte? Und selbst wenn, warum sollte sie ausgerechnet in den großen Supermarkt am Rande der Stadt gehen, während Grace dort gerade lauerte? Vielleicht war sie dann gerade auf der Post, die Grace vorher observiert hatte. Nein, es hat keinen Zweck mehr, dachte Grace entschieden, erhob sich und klopfte den Sand aus ihrer Wetterkleidung. Ganz plötzlich überfiel sie ein Gefühl von absoluter Heimatlosigkeit. Was erwartete sie denn in Berlin außer Jenny und ihrer Arbeit? Ihr Stiefvater Ethan, der sie nach Strich und Faden belogen hatte? Und der ohnehin längst eine neue Familie besaß? Außerdem hatte sie eine schwere Entscheidung zu treffen: Wollte sie dieses Kind behalten oder nicht? Eigentlich hatte sie schon vor Jahren mit dem Thema Schwangerschaft abgeschlossen.
Tränen traten ihr in die Augen, und sie wünschte sich mit einem Mal in Horis Arme. Immer wieder hatte sie es geschafft, den Gedanken an ihn zu verdrängen, aber jetzt überkam die Sehnsucht sie mit geradezu schmerzhafter Intensität. Noch ein Grund mehr, mich schleunigst auf den Highway zu begeben, dachte Grace entschieden.
Sie wandte sich abrupt vom Meer ab und eilte zu ihrem Wagen. Bevor sie im Hotel auscheckte und ihre Sachen holte, wollte sie sich noch ein wenig Proviant für die lange Reise besorgen. Sie hielt gerade auf dem Parkplatz des Supermarktes, als neben ihr eine Frau aus einem Auto ausstieg, die sofort ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie war Maureen Barclay wie aus dem Gesicht geschnitten und trug das struppige graue Haar ebenso kurz wie sie. Kein Zweifel, es war Moira Barclay! Grace klopfte das Herz bis zum Hals. Erst überlegte sie, ob sie sie sofort ansprechen sollte, aber dann blieb sie im Wagen sitzen und beschloss, ihr zu folgen, sobald sie wegfuhr.
Sie zitterte vor lauter Aufregung, ihre Hände waren feucht, und in ihrem Magen grummelte es ganz furchtbar. Was, wenn Moira sie tatsächlich zu ihrer Mutter führte? Was, wenn sie spätestens dann bitter bereute, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln gemacht zu haben? Ihr vages Gefühl, dass es nichts Angenehmes war, was sie erwartete, wuchs stetig. Trotzdem, sie hatte keine andere Wahl. Sie konnte nicht mehr zurück. Mit starrem Blick fixierte sie den Eingang des Supermarktes. Als ihr ein vorbeifahrender Wagen die Sicht versperrte, glaubte sie für den Bruchteil einer Sekunde Suzans Gesicht erkannt zu haben, aber das schob sie auf ihre nervöse Überreiztheit.
Es dauerte unendlich lange, bis Moira voll bepackt mit Einkaufstaschen zu ihrem Auto zurückkehrte. Grace versuchte, sich in ihrem Wagen ganz klein zu machen.
Kaum dass Moira den Parkplatz verlassen hatte, folgte Grace ihr in sicherem Abstand. Sie fuhren eine kurvige Küstenstraße entlang, von der aus man einen atemberaubenden Blick auf das reichlich bewegte Meer hatte, an einigen Stellen sogar zu beiden Seiten. Grace aber konzentrierte sich ausschließlich auf den Geländewagen, der da in rasantem Tempo
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