Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
erklärte Barbra bitter, während sie sich kämpferisch vor Thomas aufbaute. »Ihr Mann wird wohl nicht aus dem Krieg zurückkehren, und ich gebe meinen Mann frei. Was wollt ihr mehr? Sie hat mir eben die traurige Nachricht gebracht, dass du im Krieg geblieben bist. Dass du tot bist. Ja, und das bist du nun auch für mich. Mausetot! Und nun raus hier! Alle beide.«
»Aber du kannst mich nicht ...« Thomas wurde unterbrochen, weil Norma verschlafen in die Küche trat. »Weißt du, wo Ethan ...« Sie stockte, als sie die betretenen Gesichter wahrnahm.
»Hallo, Thomas, schön, dass du zurück bist«, sagte sie höflich und wollte die Küche wieder verlassen, doch Barbra hielt sie zurück. »Bleib nur. Thomas wollte gerade wieder gehen. Er zieht jetzt zu Julia, seiner Geliebten.«
Norma sah Barbra fassungslos an.
»Ja, sie waren bereits ein Paar, als er mich, das kleine dumme Ding, geheiratet hat. Ich war leider zu naiv und verliebt, um etwas zu bemerken. Ich habe ihm all die auswärtigen Termine abgenommen oder die viele Arbeit, wenn er erst im Morgengrauen nach Hause zurückkehrte. So, und jetzt zum letzten Mal: Haut endlich ab!«
»Aber du kannst mich doch nicht ...«
»Und wie ich das kann. Das Haus gehört mir, wie dir nicht entgangen sein dürfte.«
Thomas war leichenblass geworden. Er protestierte nicht einmal mehr, als Julia ihn sanft am Arm nahm und zur Tür zog. Dort drehte er sich noch einmal um: »Aber glaub mir, ich liebe dich ...« Der Rest des Satzes ging in lautem Krach unter. Barbra hatte mit voller Wucht die Tür hinter den beiden zugeknallt.
Norma war ebenfalls schneeweiß im Gesicht geworden. »Du willst ihn deshalb wirklich rauswerfen und in die Arme dieser Frau treiben?«
Barbra aber hörte ihr gar nicht mehr zu. Sie war auf einen Stuhl gesunken und starrte die Wände an. Natürlich würde sie liebend gern bittere Tränen um den verlorenen Traum einer Familie vergießen, aber in ihr war nichts als Leere. Und wenn ein Gefühl aufblitzte, dann der blanke Hass.
»Wenn er es einmal getan hätte, fernab im Pazifik, meinetwegen auch hier in der Stadt, glaube mir, Norma, ich wäre gekränkt gewesen, aber der Gedanke hätte unsere Liebe nicht töten können, doch dass er mich von Anfang an betrogen hat ...« Sie schüttelte sich. »Nein, selbst wenn ich wollte, mein Herz fühlt sich an, als hätte es sich in Stein verwandelt. Mir kommen zu viele Erinnerungen. Wie er damals, als ich mit Suzan schwanger war, angeblich eine Woche in Christchurch bei einem Mandanten war. Ich will Thomas niemals wiedersehen. O Gott, wie konnte ich nur so dumm sein!«
»Bitte, Barbra, überleg es dir noch einmal. Ihr wart doch immer so glücklich. Er hat dich auf Händen getragen. Ihr liebt euch doch ...«
»Norma, Schluss jetzt!«, zischte Barbra energisch. »Ich sage dir auch nicht, du sollst zu deinem gewalttätigen Saufbold zurückkehren ...« Sie stutzte und lächelte hintergründig. »Dann kannst du doch jetzt mit Ethan bei mir einziehen.«
Norma blickte ihre Stiefschwester kopfschüttelnd an. »Barbra, bitte, zeig doch ein Gefühl. Schrei oder weine, aber so bist du mir unheimlich.«
»Ist es so besser?«, fragte Barbra spöttisch und stieß einen hysterischen Schrei aus.
Bluff, April 2009
Der nächste Anfall von Übelkeit überkam Grace so überraschend und heftig, dass sie es nur noch knapp schaffte, aufzuspringen und vor die Tür zu rennen. Das Schlimme war, sie konnte sich nicht mehr erbrechen, weil sie nichts mehr im Magen hatte. Dieses Mal wurde ihr schwindlig, sodass sie sich auf eine Bank setzen musste. Es wehte mittlerweile ein eisiger Wind vom Meer herüber, der ihr fast die Luft zum Atmen nahm. Auf dem Wasser tanzten Schaumkronen, die sie vorhin so noch nicht wahrgenommen hatte, wenn sie überhaupt schon dort gewesen waren. Grace hatte den Eindruck, die Natur spiegle ihr Inneres wieder. Dort tobte nämlich ein Orkan der widerstreitenden Gefühle. Eine innere Stimme flehte sie an, sich auf der Stelle in ihren Wagen zu setzen und vor der letzten Wahrheit zu flüchten. Doch eine andere Stimme riet ihr, auszuharren und sich dem zu stellen, was auch immer Schreckliches auf sie zukam. Dass es entsetzlich sein würde, daran hegte Grace keinerlei Zweifel mehr. Sie fühlte sich, als rase sie ungebremst auf einen Abgrund zu. Und es gab nur noch eine Chance zu überleben: aus dem fahrenden Wagen zu springen.
Grace rieb sich stöhnend die Schläfen, denn auch in ihrem Kopf hämmerte es, als wolle er
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