Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
gleich platzen.
Allein wenn sie sich vorstellte, dass diese Kindfrau dort im Haus ihre Mutter sein sollte, wollte sich ihr gleich noch einmal der Magen umdrehen. Ganz normal ist diese Frau mit Sicherheit nicht, dachte Grace, und sie fröstelte, was nicht nur an der Kälte hier draußen lag. Nein, auch in ihrem Inneren fühlte es sich eiskalt an.
Dann quälte sie sich zum wiederholten Male mit der Frage, was bloß der verdammte Grund gewesen sein konnte, dass ihre Eltern sie ausgerechnet Ethan Cameron mit nach Deutschland gegeben hatten. Und was war überhaupt mit ihrem Vater? Dem Mann mit den bernsteinfarbenen Augen? Wo war er? Bei dem Gedanken beschleunigte sich ihr Herzschlag merklich. Warum war sie die ganze Zeit über eigentlich nie auf den Gedanken gekommen, ihn zu suchen?
»Erschrick nicht, Grace, ich bin es!«, hörte sie nun eine raue, unverkennbare Stimme hinter sich sagen.
Grace fuhr erschrocken herum.
»Hast du mich etwa verfolgt?«, zischte sie.
»Nein, ich war noch einmal bei Maureen, und die hat mir schließlich gesagt, was sie dir erzählt hat, und deshalb habe ich dich überall in Invercargill gesucht. Und im Hotel wurde ich fündig. Die haben mir deinen Mietwagen beschrieben. Und so bin die ganze Gegend nach dem Auto abgefahren. Und hier stand er nun ...«
»Und warum hat Maureen dir dieses Mal verraten, wo du ihre Schwester eventuell finden könntest?«
»Weil ich ihr die Wahrheit gesagt und geschworen habe, dass ich dich davor bewahren muss, deiner Mutter gegenüberzustehen ...« Sie stockte und sah Grace mitleidig an. »Komme ich zu spät?«
»Wie man es nimmt«, entgegnete Grace in sarkastischem Ton. »Wenn du wissen willst, ob ich deine Schwester bereits kennengelernt habe ... ja, gerade eben erst hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, aber sie hält mich für eine Dame von der Kirche. Und wir sind nicht weiter als bis zu Thomas' Betrug an Barbra gekommen. Ob ich mir den Rest anhören soll, werde ich mir noch einmal reiflich überlegen.«
»Das ist gut. Sehr gut. Tu es nicht! Komm mit mir. Bitte. Ich war vor Rache blind. Wollte, dass sie leidet, wenn sie erfährt, dass du ihre Tochter bist, die nun die ganze schreckliche Wahrheit kennt ...«
»Du solltest das Wort Wahrheit lieber nicht in den Mund nehmen. Klingt irgendwie merkwürdig«, spottete Grace.
»Bitte, ich flehe dich an, komm mit mir.« Suzan versuchte, Grace am Ärmel mit sich zu ziehen, doch Grace sperrte sich.
»Ich habe mich gerade entschieden!«, fauchte sie ihre Tante an. »Je mehr du es plötzlich verhindern willst, desto neugieriger machst du mich. Du führst doch sicher eine neuerliche Gemeinheit im Schilde. Ich sollte unbedingt in das Haus zurückgehen, um zu erfahren, warum man mich an Ethan Cameron verschachert hat. Apropos Ethan. Das war ja auch nur wieder eine deiner verdammten Lügen. Dass er ein entfernter Verwandter aus der Cameron-Sippe war. Du bist mit ihm aufgewachsen! Hau endlich ab, und lass mich in Ruhe! Ich glaube dir eh kein Wort mehr, Tante Suzan.«
Letzteres hatte sie verächtlich ausgespuckt.
»Grace, bitte sei vernünftig.« Wieder hatte sie ihre Nichte am Ärmel gepackt.
»Lass mich los!«
»Bitte, vertrau mir doch nur noch dieses eine Mal. Ich will dir nicht wehtun, und ich brauche die Genugtuung nicht mehr. Bitte, ich flehe dich an. Ich ...«, Suzan schluchzte auf, »... ich habe doch etwas viel Wertvolleres gefunden. Etwas, das ich im Leben schmerzlich vermisst habe. Ich will dich nicht verlieren!«
»Das hättest du dir früher überlegen müssen!«, schrie Grace und wollte sich an Suzan vorbeidrücken, doch dieses Mal packte diese härter zu. Sie krallte sich förmlich in den Oberarm von Grace.
»Aber eines, das kann sie dir nicht erzählen, weil sie es nicht weiß oder, besser gesagt, partout nicht wissen will.«
Grace rollte genervt mit den Augen. »O nein!«
»Ich muss es dir sagen, auch wenn du mich, nach allem, was ich dir angetan habe, nie wieder sehen willst.«
»Das hast du gut erkannt. Wenn ich das hier hinter mir habe, hält mich nichts mehr in Neuseeland. Also, lass mich los.«
»Bitte, höre mir nur noch dieses eine Mal zu. Es ist wichtig!«
»Ich höre!« Grace verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.
»Komm, es dauert etwas länger. Hier draußen ist es zu ungemütlich. Siehst du die dunklen Wolken? Ich glaube, es regnet gleich. Lass uns zum Wagen gehen.«
»Nun mach es doch nicht so spannend. Und was kann denn schon so wichtig sein, dass ich es unbedingt
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