Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
eigentlich nur hundert und nicht mehr. Ich bin mit meinen einhundertzehn schon eine Raserin.«
Grace stöhnte leise auf.
»Suzan, ich bin nur etwas müde, aber das mit den Pinguinen würde mir natürlich sehr gefallen.«
Schon war Suzan auf einen Parkplatz gefahren und hielt an. »Wir sind da!«
Grace war jetzt wirklich ein bisschen übel, aber sie wollte es sich nicht anmerken lassen.
»Wie wäre es: Möchtest du eine geführte Tour mitmachen? Dann können wir die possierlichen Tierchen aus Unterständen beobachten, ohne dass wir sie stören.«
Grace bejahte und war froh, dass gerade eine Führung begann. Ein junger Maori leitete diese Tour. Grace musste unwillkürlich an Hori denken, obwohl der untersetzte und beleibte Mittzwanziger viel eher dem Bild entsprach, das Grace sich nach den Beschreibungen ihres Vaters von den Maori gemacht hatte.
Anschaulich und lebendig erzählte Lani, wie sich ihnen der junge Mann nun vorstellte, dass Gelbaugenpinguine zu den bedrohten Tierarten gehörten und dass sie nicht in Kolonien brüteten, sondern allein in versteckten Nestern im Unterholz.
Und da watschelte auch schon so ein Tierchen den Strand entlang. Über dem Kopf hatte es einen gelben Streifen. Besonders auffällig waren seine bernsteinfarbenen Augen. Wie hatte Ethan Grace früher manchmal zärtlich genannt? Mein Gelbaugenpinguin, weil sie auch bernsteinfarbene Augen besaß. Das Tier watschelte jetzt direkt auf den Unterstand zu, in dem die kleine Gruppe eng beieinanderhockte. »Ach, wie süß!«, kreischte eine Amerikanerin entzückt und wollte den kleinen Kerl fotografieren, was Lani gerade noch rechtzeitig verhindern konnte.
Die düsteren Gedanken an ihren Albtraum, die Grace eben auf der Fahrt hierher durch den Kopf gegangen waren, verflüchtigten sich. Es gab nur noch diese Pinguine, den weiten Strand und das glitzernde Meer. Selbst Suzan nahm Grace in ihrer Begeisterung nur noch am Rande war.
Erst als sie gemeinsam zurück zum Wagen gingen, sprachen sie wieder miteinander. »Und was meinst du, willst du jetzt das Fort besichtigen?«
»Wenn du mich schon so fragst: Nein, ich würde gern nach Hause fahren und mich ein wenig ausruhen.«
»Dir ist nicht wohl, oder?«
»Nein. Doch, ich hatte nur so einen blöden Traum heute Nacht.«
»Was hast du denn geträumt?«
Grace sah Suzan ärgerlich an. Dass sie immer so neugierig sein musste. Das konnte Grace gar nicht leiden. Und es passte eigentlich auch nicht zu dieser nach außen eher unnahbar wirkenden Frau.
»Ich möchte nicht darüber reden. Ich habe es ein einziges Mal versucht. Bei einem Seelendoktor, der gar nicht auf meinen Traum eingegangen ist, sondern wissen wollte, was für ein Verhältnis ich zu meinem Vater habe. Da habe ich natürlich nichts mehr gesagt ...«
Suzan lachte bitter. »Wie solltest du auch? Denn schließlich hast du damals ja auch noch nicht geahnt, dass Ethan nicht dein Vater ist. Wie solltest du über deinen Vater reden, den du gar nicht kennst.«
»Ethan? Wie kommst du auf Ethan?«, fragte Grace mit schneidender Stimme.
»Wie meinst du das? Ich denke, das ist dein Stiefvater.«
»Ja, schon, aber woher weißt du seinen Namen?«, hakte Grace lauernd nach. Und da erwachte wieder jenes Misstrauen in ihr, dass etwas mit der Professorin nicht stimmte.
»Den Namen deines Stiefvaters hast du doch selbst bei unserer ersten Begegnung genannt. Ethan Cameron. Weißt du nicht mehr, wie ich dir erklärt habe, wodurch ich erahnen konnte, dass du Neuseeländerin bist? An dem Namen.«
»Aber ich habe dir seinen Vornamen nicht genannt«, widersprach Grace trotzig.
»Natürlich, woher sollte ich den wohl sonst kennen? Grace, ganz ehrlich, manchmal bist du so misstrauisch, dass du Gespenster siehst. Du sagtest wörtlich: Was soll ich mich auf die Suche nach den Ahnen machen, wenn ich nur adoptiert bin und Ethan selbst kein Interesse an seinen neuseeländischen Wurzeln hat?«
Grace knabberte vor lauter Anspannung an ihrem Fingernagel. Hatte sie das wirklich gesagt? Sie versuchte, sich krampfhaft zu erinnern, aber sie konnte es nicht. Aber hatte Suzan nicht trotzdem recht? Witterte sie nicht viel zu oft und zu schnell Betrug und Verrat?
»Entschuldige«, sagte sie leise. »Es ist der dumme Traum, der mich irritiert. Sicher habe ich dir seinen Namen genannt.«
Schweigend fuhren sie zum Leuchtturm. Es war ein gigantisches Bild. Er stand auf einer Klippe, die sechzig Meter steil nach unten ins Meer abfiel.
Obwohl Grace sich nichts sehnlicher
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